BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

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Lieferengpässe

Für die Lieferfähigkeit von Humanarzneimitteln in Deutschland sind die jeweiligen Zulassungsinhaber verantwortlich. Lieferengpässe zu versorgungsrelevanten Arzneimitteln werden von den Zulassungsinhabern an das BfArM gemeldet und auf der Homepage des BfArM in einer Datenbank veröffentlicht: Lieferengpässe für Humanarzneimittel in Deutschland (ohne Impfstoffe). Ausgenommen sind hiervon Lieferengpässe zu Impfstoffen, die an das Paul-Ehrlich-Institut zu melden sind. Die Meldungen erfolgen durch die pharmazeutischen Unternehmer und basieren auf der gesetzlichen Verpflichtung zur Meldung von Lieferengpässen gemäß §52b Arzneimittelgesetz (AMG).

Das BfArM analysiert alle eingehenden Meldungen zu eingeschränkten Verfügbarkeiten oder Lieferengpässen, wertet diese proaktiv aus und prüft den jeweiligen Einzelfall auf das Erfordernis der Anordnung von Maßnahmen. Die Versorgungslage mit Arzneimitteln wird vom BfArM gemeinsam mit dem Beirat kontinuierlich beobachtet und bewertet. Dieser Beirat besteht u.a. aus Vertretern der Ärzte- und Apothekerschaft, der pharmazeutischen Industrie, der Patienteninteressen und der Kassen. Der Beirat berät die Bundesoberbehörden beim Ergreifen geeigneter Maßnahmen.

Lieferengpässe

Was ist der Unterschied zwischen einem Liefer- und einem Versorgungsengpass?

Grundsätzlich muss zwischen Lieferengpässen und Versorgungsengpässen unterschieden werden.

Ein Lieferengpass ist eine über voraussichtlich zwei Wochen hinausgehende Unterbrechung einer Auslieferung im üblichen Umfang oder eine deutlich vermehrte Nachfrage, der nicht angemessen nachgekommen werden kann.

Wird ein Lieferengpass gemeldet, prüft das BfArM, ob es sich um ein versorgungsrelevantes Arzneimittel handelt. Hierbei ist insbesondere von Bedeutung, ob Alternativpräparate für die Therapie zur Verfügung stehen und sich diese Arzneimittel zurzeit auf dem Markt befinden.

Ein Lieferengpass muss daher nicht gleichzeitig ein Versorgungsengpass sein, da oftmals alternative Arzneimittel zur Verfügung stehen, durch die die Versorgung der Patientinnen und Patienten weiter sichergestellt werden kann.

Die Informationen zu gemeldeten Lieferengpässen, die in der Lieferengpassdatenbank des BfArM abrufbar sind, enthalten daher auch Hinweise zu möglichen Alternativpräparaten.

Was ist ein Versorgungsmangel?

Auf Basis der Erkenntnisse des BfArM und unter Einbeziehung der Landesbehörden kann das Bundesministerium für Gesundheit einen Versorgungsmangel nach § 79 Absatz 5 Arzneimittelgesetz (AMG) feststellen. Bei dieser Feststellung handelt es sich um eine Ausnahmeermächtigung in versorgungskritischen Situationen, die nach sehr strengen Kriterien zu treffen ist und immer eine risikobasierte Prüfung beinhaltet. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass die Landesbehörden/Aufsichtsbehörden im Einzelfall und befristetet von bestehenden Vorgaben des Arzneimittelgesetzes abweichen dürfen. Die Feststellung erfolgt durch eine Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit, die im Bundesanzeiger veröffentlicht wird.
Im Fall von kritischen Lieferengpasssituationen bleibt den Apotheken oft nur das bürokratisch komplexe Verfahren der Einzelimporte, das in der Regel eine mehrtägige Vorlaufzeit für die Belieferung der individuellen Verschreibung bedeutet.
Eine Bekanntmachung nach § 79 Absatz 5 des Arzneimittelgesetzes ermöglicht die Versorgungsmöglichkeiten im Bedarfsfall zu flexibilisieren.
Konkret dürfen die zuständigen Landesbehörden auf dieser juristischen Grundlage gestatten, dass beispielsweise Import-Arzneimittel in Verkehr gebracht werden, die in Deutschland nicht zugelassen sind.
Des Weiteren werden die Aufsichtsbehörden der Bundesländer ermächtigt Chargen von Arzneimitteln freizugeben, auch wenn diesen nicht die letztgenehmigte Version der Packungsbeilage beiliegt. Auch das Inverkehrbringen eines Arzneimittels in fremdsprachiger Aufmachung kann zugelassen werden sowie das Inverkehrbringen von in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimitteln, sofern sie in dem Staat rechtmäßig in Verkehr gebracht werden dürfen, aus dem sie in den Geltungsbereich des deutschen Arzneimittelgesetzes verbracht werden.
Sobald die regelhafte bedarfsgerechte Verfügbarkeit wieder gewährleistet ist, wird die Ausnahmeermächtigung vom Bundesministerium für Gesundheit wiederum per Bekanntmachung aufgehoben.

Was sind die Gründe für Lieferengpässe?

Lieferengpässe können allgemein ganz unterschiedliche Ursachen haben.

Häufig sind Produktionsprobleme der Auslöser für einen Lieferengpass, zum Beispiel, wenn Herstellungsprozesse aufgrund von Qualitätsproblemen umgestellt werden, Ware nicht freigegeben werden kann oder wegen einer gestiegenen Nachfrage die Kapazitäten erhöht werden müssen.

Vor allem, wenn beispielsweise für einen Wirkstoff oder ein Zwischenprodukt nur wenige Hersteller vorhanden sind, besteht ein erhöhtes Risiko, dass sich ein Lieferengpass zu einem Versorgungsengpass entwickeln kann.

Wie werden Lieferengpässe gemeldet?

Die Meldungen erfolgen durch die pharmazeutischen Unternehmer an das BfArM1 und werden der Öffentlichkeit in einer Datenbank, die eine umfassende Übersicht zu Lieferengpassmeldungen für Humanarzneimittel (ohne Impfstoffe) in Deutschland enthält, zur Verfügung gestellt: Lieferengpassdatenbank des BfArM.

1 Bei Impfstoffen an das Paul-Ehrlich-Institut

Wie haben sich die Lieferengpassmeldungen seit 2013 entwickelt?

In Deutschland gibt es ca. 100.000 verkehrsfähige Humanarzneimittel in der Zuständigkeit des BfArM (Stand: Juli 2022). Mit Blick auf die Entwicklung der Lieferengpassmeldungen muss beachtet werden, dass die Meldekriterien 2017 umfassend angepasst wurden, sodass die Meldungen seitdem auf einer veränderten Grundlage erfolgen. Die Meldezahlen können daher nicht mehr mit denen aus den Vorjahren verglichen werden.

Des Weiteren können Sondereffekte zu Steigerungen führen, aus denen jedoch keine belastbaren statistischen Aussagen abgeleitet werden können. So hatte beispielsweise alleine die Valsartan-Problematik in 2018 zu 118 neu gemeldeten Lieferengpässen geführt. Dies stellt statistisch betrachtet einen deutlichen Anstieg der Meldungen in 2018 dar, ohne dass sich daraus ein genereller, wirkstoffübergreifender Anstieg von Lieferengpasssituationen in diesem Jahr ableiten ließe.

Nicht zuletzt geht das BfArM aufgrund der intensiven Abstimmungen im Beirat nach § 52b Absatz 3b AMG zu Liefer- und Versorgungsengpässen (vormals Jour Fixe) und der Einbindung aller relevanten Akteure auch von einem verbesserten Meldeverhalten aus.

Zudem muss ein Lieferengpass nicht gleichzeitig ein Versorgungsengpass sein, da oftmals alternative Arzneimittel zur Verfügung stehen, durch die die Versorgung der Patientinnen und Patienten weiter sichergestellt werden kann. Die Zahl der Meldungen zu Wirkstoffen, die als versorgungsrelevant eingestuft wurden, fällt in Relation zum gesamten Meldeaufkommen deutlich geringer aus.

Das BfArM führt vor diesem Hintergrund grundsätzlich Einzelfallprüfungen der Meldungen durch, deren Ergebnis die weiteren Maßnahmen unter Einbindung des Beirats sowie aller sonstigen betroffenen Akteure bedingt.

Lieferengpassmeldungen
JahrLieferengpassmeldungen (gesamt)Lieferengpassmeldungen
(versorgungsrelevant eingestufte Wirkstoffe)
Lieferengpassmeldungen
(versorgungskritisch eingestufte Wirkstoffe)
2024192628
2023101756127
2022666288148

Stand: 31.03.2024

Ab dem Jahr 2022 werden die Anzahl der Lieferengpassmeldung in einer neu strukturierten Tabelle dargestellt. Für das laufende Jahr beziehen sich die Angaben auf die Zeitspanne bis zum letzten Monatsende. Die aktuellen Zahlen werden immer zu Monatsbeginn publiziert.

Die angepasste Form der Darstellung wurde durch das Inkrafttreten des § 52b Absatz 3c AMG und der damit erfolgten Definition für versorgungskritische Wirkstoffe erforderlich. Damit ist der Begriff „versorgungsrelevant eingestufte Wirkstoffe, die unter besonderer behördlicher Überwachung stehen“ abgelöst worden. Weitere Erläuterungen zu versorgungskritisch eingestuften Arzneimitteln sind unter „Liste der versorgungskritischen Wirkstoffe gemäß § 52b Absatz 3c AMG“ zu finden

Lieferengpassmeldungen
JahrLieferengpassmeldungen (gesamt)Lieferengpassmeldungen
(versorgungsrelevant eingestufte Wirkstoffe)
Lieferengpassmeldungen
(versorgungsrelevant eingestufte Wirkstoffe, die
unter besonderer behördlicher Überwachung stehen)
202138122021
202054342614
201935519710
20182681395
2017108573
201681298
201540188
201430123
20134298

Was sind versorgungsrelevante Wirkstoffe?
Definition/Kriterien versorgungsrelevanter Wirkstoffe (§52b Abs. 3c AMG)

  1. Das Arzneimittel wird in inhaltlich aktuellen Leitlinien der Fachgesellschaften empfohlen bzw. es entspricht dem aktuellen Therapiestandard.
  2. Bei Nicht-Verfügbarkeit verschlechtert sich die Prognose der betroffenen Patientinnen und Patienten.
  3. Die zu behandelnde Krankheit ist lebensbedrohlich oder irreversibel progredient oder bei fehlender Behandlung würde der Patient schwer geschädigt. Dies gilt sowohl für Akutsituationen (Notfall), chronische Situationen oder Situationen mit einem möglichen tödlichen Verlauf, in denen das Arzneimittel den Verlauf positiv beeinflusst.
  4. Das Arzneimittel unterliegt der Verschreibungspflicht.
  5. Der Wirkstoff ist für die Gesamtbevölkerung relevant.
  6. Grundsätzlich nicht als versorgungsrelevant gelten:

    1. OTC-Arzneimittel
    2. Arzneimittel mit einem Orphan-Status
    3. neue Stoffe

s. unten „Welche Arzneimittel werden als versorgungsrelevant angesehen?“

Was sind versorgungsrelevante Wirkstoffe, die unter besonderer behördlicher Überwachung stehen?
Definition/Kriterien versorgungskritischer Wirkstoffe (§52b Abs. 3c AMG)

  1. Der Wirkstoff steht auf der Liste der Wirkstoffe, für welche die Selbstverpflichtung zur Meldung von Lieferengpässen gilt, oder
  2. der Wirkstoff steht auf der Liste der Wirkstoffe mit einem in der Vergangenheit eingetretenen Versorgungsmangel oder
  3. eine Meldeverpflichtung besteht nach § 52b Absatz 3a AMG an Krankenhäuser oder
  4. das Arzneimittel hat einen Marktanteil von 25 % und mehr oder
  5. das Arzneimittel steht auf der Substitutionsausschlussliste.

s. unten „Welche Arzneimittel werden als versorgungsrelevant angesehen?“

Was ist bei der Interpretation der Zahlen aus der Datenbank „Gemeldete Lieferengpässe für Humanarzneimittel in Deutschland (ohne Impfstoffe)“ zu beachten?

Die Datenbank bildet sowohl die aktuellen als auch bereits behobene Lieferengpässe ab (Menüpunkt „alle Meldungen“). Bei der Übersicht „Aktuelle Lieferengpässe“ sind die Löschmitteilungen bereits herausgefiltert; sie zeigt also die aktuellen Lieferengpassmeldungen für Humanarzneimittel (ohne Impfstoffe).

Die Veröffentlichung in der Datenbank erfolgt arzneimittelbezogen. Zu einem Arzneimittel ist daher immer nur die Meldung enthalten, die den zuletzt gemeldeten Stand wiedergibt. Dabei kann es sich entweder um die Erstmeldung eines Lieferengpasses handeln oder um eine Änderungs- oder eine Löschmitteilung.

Beispiel:

Der Zulassungsinhaber meldet den Lieferengpass eines Arzneimittels. Diese Meldung wird in die Datenbank aufgenommen.

Das Arzneimittel ist wieder lieferfähig, der Zulassungsinhaber meldet eine Löschmitteilung des Lieferengpasses. Diese Meldung wird in die Datenbank aufgenommen. Die Erstmeldung des Lieferengpasses, auf die sich diese Löschmitteilung bezieht, wird nicht mehr als eigenständige Meldung in der Datenbank aufgeführt. Die Information „Datum der Erstmeldung“ erscheint vielmehr als Information im Datensatz der Löschmitteilung.

Einige Zeit später tritt dann noch einmal ein Lieferengpass ein, den der Zulassungsinhaber erneut meldet. Diese Meldung wird in die Datenbank aufgenommen. Jetzt wird nicht mehr die Löschmitteilung als eigenständige Meldung in der Datenbank dargestellt, sondern stattdessen die dann aktuelle Erstmeldung.

Ein Arzneimittel kann also zu verschiedenen Zeitpunkten mehrfach von Lieferengpässen betroffen sein – es wird aber in der Datenbank nur ein Mal mit dem jeweils zuletzt gemeldeten Status dargestellt.

Ebenso ist zu beachten, dass von einem Lieferengpass gleich mehrere zugelassene Arzneimittel des gleichen Wirkstoffs (insbesondere bei Generika) oder auch unterschiedliche Stärken oder Darreichungsformen desselben Arzneimittels betroffen sein können.

Beispiel:

Es besteht der Lieferengpass eines Wirkstoffes, der in Schmerzmitteln verwendet wird.

Dieser Wirkstoff wird von zwei Zulassungsinhabern genutzt.

Zulassungsinhaber 1 stellt daraus Tabletten der Stärke 200 mg und 400 mg her. Zulassungsinhaber 2 stellt daraus Tabletten der Stärke 600 mg sowie Tropfen her.

Somit ergeben sich hier allein vier Meldungen. Diese betreffen jedoch letztlich nur Arzneimittel, die diesen einen Wirkstoff enthalten. Eine allgemeine Verschärfung der Lieferengpasssituation lässt sich daher an diesem Anstieg der Meldungen nicht ablesen.

So hatte beispielsweise alleine die Valsartan-Problematik in 2018 zu 118 neu gemeldeten Lieferengpässen geführt. Dies stellt statistisch betrachtet einen deutlichen Anstieg der Meldungen in 2018 dar, ohne dass sich daraus ein genereller, wirkstoffübergreifender Anstieg von Lieferengpasssituationen in diesem Jahr ableiten ließe.

Das BfArM führt daher grundsätzlich Einzelfallprüfungen der Meldungen durch, deren Ergebnis die weiteren Maßnahmen unter Einbindung aller betroffenen Akteure (Unternehmen, Fachkreise, Verbände etc.) bedingt.

Welche Lieferengpässe sollen gemeldet werden?

Die Meldungen erfolgen durch die pharmazeutischen Unternehmer und basieren auf der im Pharmadialog erklärten Selbstverpflichtung zur Meldung von Lieferengpässen für versorgungsrelevante Arzneimittel.

Die Selbstverpflichtung umfasst derzeit folgende Kriterien:

  1. Der Wirkstoff steht auf der Liste der versorgungskritischen Wirkstoffe.
  2. Das Arzneimittel unterliegt der gesetzlichen Meldeverpflichtung an Krankenhäuser
  3. Das vom Lieferengpass betroffene Arzneimittel hat einen Marktanteil von 25 % und mehr bezogen auf den Wirkstoff


Weiterführende Informationen finden sich unter Meldeverpflichtungen 

Gibt es für die pharmazeutischen Unternehmer eine Verpflichtung, Lieferengpässe zu melden?

Die pharmazeutischen Unternehmer haben im Jahr 2016 im Pharmadialog eine Selbstverpflichtung zur Meldung von Lieferengpässen für versorgungsrelevante Arzneimittel abgegeben. Die im Jour Fixe vereinbarten Meldekriterien wurden vom Beirat im Jahr 2020 bestätigt.

Eine Aufgabe des Beirats zu Liefer- und Versorgungsengpässen ist auch, zu prüfen, inwieweit die Unternehmen ihrer Selbstverpflichtung nachkommen, also ob alle wesentlichen Lieferengpässe gegenüber dem BfArM gemeldet wurden. Ausstehende Lieferengpassmeldungen werden nach vorheriger Prüfung seitens des BfArM eingefordert.

Eine gesetzliche Verpflichtung besteht für die Meldung an Krankenhäuser (§ 52b Abs. 3a AMG; pharmazeutische Unternehmer müssen im Rahmen ihrer Verantwortlichkeit Krankenhäuser im Falle ihnen bekannt gewordener Lieferengpässe bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zur stationären Versorgung umgehend informieren).

Weitere Verpflichtungen ergeben sich aus  § 52b Abätze 3e und 3f AMG. Diese ermöglichen es der zuständigen Bundesoberbehörde im Falle von kritischen Lieferengpässen (3e), oder für bestimmte Arzneimittel regelhaft, Daten zu Produktion, Beständen und Absatzmengen zu erheben. Während Absatz 3e im Einzelfall angewendet wird ist Absatz 3f für solche Fertigarzneimittel verpflichtend, bei denen die Maßnahme in Rücksprache mit dem Beirat für Liefer- und Versorgungsengpässe als notwendig für die kontinuierliche Beurteilung der Versorgungslage erachtet wird. Die vollständige und gültige Fassung der Liste von Fertigarzneimitteln, die in die regelmäßige Datenübermittlung aufgenommen wurden ist zur öffentlichen Einsicht publiziert.

Was ist der Beirat für Liefer- und Versorgungsengpässe nach §52b Abs. 3b AMG?

Mit der Umsetzung des „Gesetzes für einen fairen Kassenwettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-FKG) zum 22.03.2020 wurde der §52b AMG erweitert und unter anderem durch den neuen §52b Abs. 3b AMG die Bildung eines Beirates zur Beobachtung und Bewertung der Versorgungslage gesetzlich verankert. Damit ist der Beirat für Liefer- und Versorgungsengpässe seit dem 22.07.2020 als rechtlich fundierte Nachfolge des ehemaligen Jour Fixe zum Thema Lieferengpässe etabliert. 

Im  Beirat sind Behörden, Organisationen und Institutionen aus Medizin, Forschung, Industrie und Politik vertreten. Er gewährleistet eine systematische Informationsstruktur, die alle wichtigen Akteure einbezieht und stellt den adäquaten fachlichen Austausch zu angekündigten wie unvermittelt auftretenden Situationen sicher. Das BfArM nutzt dieses Netzwerk regelmäßig, um beispielsweise im Bedarfsfall Informationen im Rahmen von Sachverhaltsermittlungen zu erhalten. 

Der Austausch wird seitdem in einem regelmäßigen Turnus alle 4 Monate fortgesetzt. Die Dialog-Partner kommen in regelmäßigen Abständen zusammen, um den Stand der Umsetzung zu diskutieren, neue Entwicklungen zu identifizieren und gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Im Bedarfsfall werden die Mitglieder auch kurzfristig versammelt um dynamischen Entwicklungen und besonders kritischen Versorgungssituationen zeitnah begegnen zu können.

Aufgabe des Beirates ist es, die Versorgungslage mit Arzneimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, kontinuierlich zu beobachten und zu bewerten. Hierzu gehört insbesondere die Unterstützung der Bundesoberbehörden bei der Bewertung der Versorgungsrelevanz eines Lieferengpasses unter Berücksichtigung möglicher bestehender Therapiealternativen sowie die Ausarbeitung von Empfehlungen zur Verbesserung der Versorgungssituation.

Die Bundesoberbehörden haben mit dem GKV-FKG einen gesetzlichen Auftrag in Bezug auf behördliche Maßnahmen erhalten. Unter anderem besteht die Möglichkeit zur Anordnung von gezielten Maßnahmen und zur Übermittlung von Angaben zu verfügbaren Beständen, zur Produktion und zu Absatzmengen bei pharmazeutischen Unternehmern und Arzneimittelgroßhandlungen (§52b Abs. 3d – 3f AMG). Bei vielen Maßnahmen ist der Beirat im Vorfeld anzuhören. Eine vollständige Aufführung der im Beirat vertretenen Institutionen sowie Sitzungsprotokolle finden sich unter Beirat.

Welche Arzneimittel werden als versorgungsrelevant angesehen?

Eine Liste der versorgungsrelevanten Wirkstoffe wurde auf der Basis der Vorschläge der medizinischen Fachgesellschaften und der WHO-Liste der essenziellen Arzneimittel zusammengeführt.

Der Beirat legte mit 2. Sitzung am 21. Oktober 2020 gemäß §52b Abs. 3c AMG die Definition/Kriterien versorgungsrelevanter Wirkstoffe fest:

  1. Das Arzneimittel wird in inhaltlich aktuellen Leitlinien der Fachgesellschaften empfohlen bzw. es entspricht dem aktuellen Therapiestandard.
  2. Bei Nicht-Verfügbarkeit verschlechtert sich die Prognose der betroffenen Patientinnen und Patienten.
  3. Die zu behandelnde Krankheit ist lebensbedrohlich oder irreversibel progredient oder bei fehlender Behandlung würde der Patient schwer geschädigt. Dies gilt sowohl für Akutsituationen (Notfall), chronische Situationen oder Situationen mit einem möglichen tödlichen Verlauf, in denen das Arzneimittel den Verlauf positiv beeinflusst.
  4. Das Arzneimittel unterliegt der Verschreibungspflicht.
  5. Der Wirkstoff ist für die Gesamtbevölkerung relevant.
  6. Grundsätzlich nicht als versorgungsrelevant gelten:

    1. OTC-Arzneimittel
    2. Arzneimittel mit einem Orphan-Status
    3. neue Stoffe

Die Liste wird aufgrund neuer Zulassungen oder neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse (z.B. neue Therapieoptionen) kontinuierlich im Rahmen der Beirats-Routinesitzungen weiterentwickelt. Sie wird außerdem kontinuierlich dahingehend überprüft, ob Arzneimittel mit den dort enthaltenen Wirkstoffen in Deutschland noch verfügbar sind. Im Falle eines versorgungsrelevanten Engpasses erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Beirat eine Prüfung, ob Arzneimittel mit vergleichbarer therapeutischer Wirksamkeit zur Verfügung stehen. Bei Identifikation therapeutischer Alternativen werden diese auf der Homepage des BfArM publiziert. In einem Anhang sollen zusätzlich die Impfstoffe und Impfantigene aufgenommen werden.

Liste versorgungsrelevante Wirkstoffe

Welche Rolle nimmt das BfArM im Zusammenhang mit Lieferengpässen ein?

Das BfArM stellt im Zusammenhang mit Lieferengpässen für Humanarzneimittel in Deutschland umfangreiche Informationen auf seiner Homepage bereit. Unter anderem sind die Listen der versorgungsrelevanten Wirkstoffe und der Wirkstoffe mit einem erhöhten Versorgungsrisiko eine wichtige Grundlage dafür, Lieferengpässen differenziert begegnen zu können. Mit diesen Informationen schafft das BfArM Transparenz und verbessert den Informationsfluss.

Im Fall eines drohenden oder bestehenden Versorgungsengpasses kann das BfArM

  • Sachverhalte ermitteln, die zu einem Lieferengpass geführt haben, und diese Information an beteiligte Akteure kommunizieren.
  • ermitteln, welche Ausmaße ein Lieferengpass hat, und diese Information an beteiligte Akteure kommunizieren.
  • Kontakt mit dem Zulassungsinhaber und / oder den Fachgesellschaften aufnehmen, um Informationen zu kommunizieren.
  • Kontakt mit weiteren nationalen Zulassungsbehörden oder der Europäischen Arzneimittel-Agentur aufnehmen, um Informationen zu kommunizieren.
  • Anträge auf Zulassung von Arzneimitteln bevorzugt bearbeiten, bzw. sich in europäischen Verfahren für eine beschleunigte Bearbeitung einsetzen.
  • Anträge auf Änderungen (Variations) eines Arzneimittels bevorzugt bearbeiten, bzw. sich in europäischen Verfahren für eine beschleunigte Bearbeitung einsetzen. Änderungen in den Angaben und Unterlagen zur Zulassung (beispielsweise Änderungen der Herstellungsstätten oder der Gebrauchsinformationen) muss der Inhaber der Zulassung gegenüber der zuständigen Behörde anzeigen und diese genehmigen lassen.

Das BfArM steht in engem Austausch mit den in Deutschland für die Überwachung des Arzneimittelverkehrs zuständigen Landesbehörden. Auf Basis der Erkenntnisse des BfArM und unter Einbeziehung der Landesbehörden kann das BMG einen Versorgungsmangel nach §79 Abs. 5 AMG feststellen. Diese Feststellung ist Voraussetzung dafür, dass im Einzelfall von den Landesbehörden notwendige Maßnahmen ergriffen werden können, um einen Versorgungsmangel abzumildern.

Voraussetzung für die Feststellung eines Versorgungsmangels nach § 79 Abs. 5 AMG ist, dass es sich um ein Arzneimittel handelt, welches von der Bevölkerung zur Vorbeugung oder Behandlung lebensbedrohlicher Erkrankungen benötigt wird, oder im Fall einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht. Mit der Bekanntmachung nach § 79 Abs. 5 AMG können die zuständigen Behörden im Einzelfall auch ein befristetes Abweichen von Erlaubnis- oder Genehmigungserfordernissen oder von anderen Verboten nach dem AMG gestatten.

Was kann das BfArM im Zusammenhang mit Lieferengpässen nicht leisten?

  • Das BfArM kann Unternehmen weder zur Produktion von Arzneimitteln, Wirkstoffen o.ä. verpflichten, noch Unternehmen dazu verpflichten, Arzneimittel in den Verkehr zu bringen.
  • Das BfArM hat keine Informationen darüber, welche Mengen der betroffenen Arzneimittel sich noch auf dem Markt befinden.
  • Das BfArM darf keine individuelle medizinische Beratung leisten oder Empfehlungen zur Therapie geben, etwa, wenn Patientinnen oder Patienten wegen eines Engpasses auf ein anderes Arzneimittel eingestellt werden müssen. Hierfür sind viele Faktoren von Bedeutung, die nur im persönlichen Kontakt zwischen Arzt und Patient angemessen berücksichtigt werden können.
  • Das BfArM agiert weder als Arzneimittelvermittler zwischen verschiedenen Zulassungsinhabern noch zwischen potentiellen Herstellern und Zulassungsinhabern.
  • Ein Schwerpunkt der Arbeit des BfArM ist die Zulassung von Fertigarzneimitteln auf der Grundlage des Arzneimittelgesetzes. Das BfArM stellt weder Arzneimittel her, noch kann es Arzneimittel zur Verfügung stellen.

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