BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

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Aufgrund der gefundenen Verunreinigungen im Wirkstoff Valsartan bei dem Hersteller Zhejiang Huahai Pharmaceutical Co. erfolgte seit 2019 durch die pharmazeutischen Unternehmer und die zuständigen amtlichen Untersuchungsstellen der Landesbehörden und der Mitgliedstaaten eine umfassende Überprüfung aller Arzneistoffe, bei denen aufgrund ihrer chemischen Struktur und der verwendeten Synthese gleiche oder ähnliche Verunreinigungen auftreten können. Eine solche Prüfung auf Nitrosamine war bislang nicht vorgeschrieben. In einigen anderen Sartanen und Wirkstoffen wurde mittlerweile in seltenen Fällen ebenfalls verschiedene Nitrosamine nachgewiesen. Anders als bei dem Wirkstoff Valsartan von Zhejiang Huahai Pharmaceutical Co., lagen diese Befunde aber in der Regel in einem sehr niedrigen Bereich, der sich in den meisten Fällen innerhalb des Akzeptanzbereiches befindet. Alle Funde flossen in ein Risikobewertungsverfahren auf europäischer Ebene ein, das unter Federführung der EMA stattfand. Weitere Informationen zum europäischen Risikobewertungsverfahren nach Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG zu den Angiotensin-II-Rezeptorblockern (Sartanen) finden Sie hier.

Mitte 2018 bis Anfang 2019 gab es für einige Valsartan-, Irbesartan- und Losartan-haltige Arzneimittel Rückrufe bestimmter Chargen auf Ebene der Apotheken. Diese Rückrufe wurden von den Firmen vorsorglich, d.h. ohne Vorliegen entsprechender Messwerte, oder aufgrund erhöhter Messwerte für Nitrosamine durchgeführt. Die betroffenen Arzneimittel-Chargen sind seit 2019 nicht mehr auf dem Markt. Das BfArM hatte zum damaligen Zeitpunkt für diese betroffenen Chargen eine Umstellungsempfehlung abgegeben. Die Liste der seinerzeit betroffen Chargen ist über die Webseite der ABDA abrufbar.

Im Rahmen des Risikobewertungsverfahrens wurde festgelegt, dass Unternehmen, die Angiotensin-II-Rezeptorblocker herstellen, ihre Herstellungsverfahren überprüfen müssen, damit Nitrosaminverunreinigungen so weit wie möglich minimiert werden. Den Unternehmen wurde eine Übergangsfrist von 2 Jahren eingeräumt, um alle notwendigen Änderungen an ihren Herstellungs- und Analyseverfahren vorzunehmen. Während dieser Übergangfrist gelten strenge, vorübergehende Grenzwerte für den Gehalt an diesen Verunreinigungen. Nach Ablauf dieser Frist müssen die Unternehmen nachweisen, dass ihre Produkte keine quantifizierbaren Mengen dieser Verunreinigungen aufweisen. Hierfür müssen die Wirkstoffe einer routinemäßigen Kontrolle unterzogen werden. Weitere Informationen zum Risikobewertungsverfahren finden Sie auch in der Pressemitteilung der EMA.

Fragen und Antworten zu den Hintergründen

Verunreinigung

Was ist Valsartan?

Valsartan gehört zu einer Klasse von Wirkstoffen, die als Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten bekannt sind und helfen, einen hohen Blutdruck zu kontrollieren. Angiotensin II ist eine körpereigene Substanz, welche die Blutgefäße verengt und damit bewirkt, dass der Blutdruck ansteigt. Valsartan wirkt diesem Effekt von Angiotensin II entgegen, wodurch Blutgefäße erweitert und der Blutdruck gesenkt werden.
Arzneimittel mit dem Wirkstoff Valsartan werden bei Patientinnen und Patienten mit Bluthochdruck eingesetzt und bei Patientinnen und Patienten mit Herzschwäche oder nach einem Herzinfarkt.

Was ist N-Nitrosodimethylamin?

N-Nitrosodimethylamin (NDMA) ist eine flüssige, wasserlösliche Substanz, die keinen charakteristischen Geruch besitzt. Chemisch wird NDMA der Gruppe der Nitrosamine zugerechnet. NDMA ist von der internationalen Agentur für Krebsforschung der WHO und der EU als wahrscheinlich krebserregend beim Menschen eingestuft.

Wie konnte N-Nitrosodimethylamin in den Wirkstoff gelangen?

Der Hersteller Zhejiang Huahai Pharmaceutical Co. hat im Jahr 2012 Änderungen an der Wirkstoffsynthese vorgenommen. Aufgrund des geänderten Syntheseverfahrens kann als Nebenprodukt auch N-Nitrosodimethylamin (NDMA) gebildet werden. NDMA kann bei einer säurekatalysierten Reaktion von Dimethylamin mit Nitritsalzen entstehen.

Wie wurde die Verunreinigung festgestellt?

Das BfArM wurde von einer Landesüberwachungsbehörde informiert, dass bei dem Wirkstoff Valsartan des chinesischen Wirkstoffherstellers Zhejiang Huahai Pharmaceutical Co. LTD die Verunreinigung N-Nitrosodimethylamin entdeckt wurde. Die Meldung basiert auf den Untersuchungsergebnissen des Wirkstoffherstellers, welche im Rahmen der Produktion für einen Fertigarzneimittelhersteller aus Spanien durchgeführt wurden.

Diese Meldung wurde umgehend an die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) und die für den Lohnhersteller zuständige spanische Behörde kommuniziert.


Arzneimittelüberwachung

Wie wird die Wirkstoffherstellung überwacht?

Gesetzlich ist geregelt, dass die Wirkstoffherstellung nach den international festgelegten Regeln der guten Herstellungspraxis („Good Manufacturing Practice“, GMP) erfolgen muss. Die Einhaltung der guten Herstellungspraxis wird hierbei durch den pharmazeutischen Unternehmer, der den Wirkstoff in seinem Arzneimittel verwendet und zur Verwendung freigibt, im Rahmen regelmäßiger vor Ort Auditierungen bestätigt. Der pharmazeutische Unternehmer selbst benötigt ein behördliches GMP-Zertifikat und wird regelmäßig vor Ort von den zuständigen Behörden inspiziert. Die Zuständigkeit für GMP-Inspektionen liegt in Deutschland bei den Landesbehörden.

Was ist die Rolle des EDQM?

Das EDQM in Straßburg ist eine Einrichtung des Europarats, welche die Arbeiten zum Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) koordiniert und damit Normen für eine angemessene pharmazeutische Qualität auf europäischer Ebene festlegt. Daneben stellt das EDQM sogenannte “Certificates of Suitability of Monographs of the European Pharmacopoeia” (CEP) aus, die nach Prüfung des dokumentierten Herstellungsprozesses belegen, dass der Wirkstoff durch die Monographien der Ph. Eur. ausreichend kontrolliert werden kann. CEPs werden (mit Ausnahme der Ukraine) von allen Unterzeichnerstaaten der Europäischen Arzneibuchkonvention und damit auch von den Mitgliedstaaten der EU anerkannt. Wegen der anerkannten Expertise des EDQM werden CEPs neben den Mitgliedstaaten der Europäischen Arzneibuchkonvention auch in einer Reihe anderer Länder anerkannt (wie u.a. Australien, Kanada, Neuseeland, Saudi-Arabien, Singapur, Südafrika, Taiwan).

Was ist ein „Certificate of suitability“ (CEP)?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Qualität eines Wirkstoffes im Zulassungsverfahren zu belegen. Der Wirkstoffhersteller kann ein Zertifikat vorlegen, das die Eignung der Arzneibuchmonographie zur ausreichenden Kontrolle des Wirkstoffes belegt. Dabei handelt es sich um das sogenannte „Certificate of suitability“ (CEP). Ein solches Zertifikat kann für bekannte Wirkstoffe, die schon im Europäischen Arzneibuch beschrieben sind, vom Europäischen Direktorat für Arzneimittelqualität (EDQM) ausgestellt werden.

Wie wird ein „Certificate of suitability“ (CEP) erstellt?

Wird ein Antrag auf Erteilung eines CEPs gestellt, wird zu diesem Antrag bei der EDQM ein Bewertungsbericht erstellt. Hierbei wird streng nach Mehraugen-Prinzip vorgegangen und die Bewertung immer von zwei Assessoren, die aufgrund ihres speziellen Fachwissens (z.B. Fermentation, Sterilisation) ausgewählt werden, bewertet. In der Regel ist einer der beiden Assessoren ein Beschäftigter des EDQM, der andere ein Vertreter einer nationalen Behörde. Es ist auch möglich, dass beide Assessoren Vertreter unterschiedlicher nationaler Behörden sind. Beide Assessoren müssen jedoch unabhängig voneinander sein. Sie dürfen daher nicht bei der gleichen Behörde beschäftigt werden. Darüber hinaus wird diese Bewertung auch noch durch das Zertifizierungssekretariat unterstützt.

Beide Assessoren diskutieren den Bericht mit Blick auf die Erteilungsfähigkeit des CEPs, basierend auf der eigenen Bewertung, gegebenenfalls mit zusätzlichen Anforderungen. Bei unklaren oder strittigen Punkten wird hier auch noch das zuständige Technical Advisory Board (TAB) der EDQM eingebunden. Zusätzlich wird jedes Verfahren bezüglich kritischer Punkte (z.B. Lösungsmittel, Verunreinigungen, Startmaterialien) durch den EDQM Projektleiter im TAB vorgestellt.

Ein CEP kann erst erteilt werden, wenn alle offenen Punkte geklärt sind. In diesem Zusammenhang wird der Wirkstoffhersteller aufgefordert, entsprechende Fragenlisten zu beantworten und alle benötigten Unterlagen vorzulegen. Die Antworten des Wirkstoffherstellers werden analog zur ersten Phase bewertet. Dazu wird ein zweiter (ergänzender) Bewertungsbericht erstellt. Die Beurteilung der Nachlieferungen erfolgt nicht notwendigerweise durch dieselben Assessoren, die in der ersten Phase beteiligt waren.

Auch, wenn der Wirkstoffhersteller Änderungen am Herstellungsprozess vornehmen möchte, muss er diese dem EDQM melden und entsprechende Unterlagen einreichen, und so sein CEP erneut überprüfen lassen.
Sowohl beim Erstantrag als auch bei Änderungen/Verlängerungen eines CEPs legt die EDQM besonderen Wert auf die Prüfung durch mehrere, voneinander unabhängigen Instanzen. So gehört es zu den Grundprinzipien dieser Prüfungen, dass mindestens zwei Assessoren die Anträge bewerten. Ebenso sind Nachfragen an die Wirkstoffhersteller im Zusammenhang mit der Erstellung oder Änderungen/Verlängerungen eines CEPs die Regel, sodass der überwiegende Teil der CEPs auf Grundlage von zwei Bewertungsphasen erstellt wird.

Weitere Informationen:
Das EDQM beschreibt in sogenannten „Certification Policy Documents & Guidelines“ transparent den gesamten Ablauf der Zertifizierung. Diese Dokumente und Guidelines können öffentlich auf der Website https://www.edqm.eu/en/certification-policy-documents-guidelines eingesehen werden.
Die Durchführung der Verfahren zur Erteilung und Änderung eines CEPs ist im Dokument „Resolution AP-CSP (07) 1 Certification of suitability to the monographs of the European Pharmacopoeia“ vom Februar 2007 festgeschrieben.

Der Ablauf der Zertifizierung wird im entsprechendem Dokument „Management of Applications for new Certificates of Suitability and Requests for Revision or Renewal of Certificates of Suitability“ beschrieben.

Die Einteilung der Änderungen, die zu erfüllenden Bedingungen und die einzureichende Dokumentation sind für jeden Typ der Änderungen detailliert in der Guideline on Requirements for Revision/Renewal of Certificates of Suitability to the European Pharmacopoeia Monographs, PA/PH/CEP (04) 2 beschrieben.

Rückrufe

Wie läuft ein Arzneimittel-Rückruf ab?

Apotheken erhalten Informationen von den Zulassungsinhabern darüber, welche Arzneimittelchargen zurückgerufen werden. Diese Chargen werden dann über ein geregeltes Verfahren an den Zulassungsinhaber zurückgeschickt.

Welche Rolle haben die Landesbehörden bei Rückrufen?

In der Bundesrepublik Deutschland obliegt die Überwachung des Arzneimittelverkehrs und die Überwachung der Guten Herstellungspraxis (GMP) den Bundesländern. Für die Anordnung und Überwachung von Maßnahmen in Bezug auf Qualitätsmängel und der Guten Herstellungspraxis sind die Landesbehörden zuständig. Eine dieser möglichen Maßnahmen ist die Überwachung eines Rückrufs bestimmter Arzneimittelchargen, zum Beispiel aufgrund von Qualitätsmängeln.

Welche Rolle hat das BfArM bei Rückrufen?

Das BfArM sammelt Daten zu Arzneimittelrisiken und koordiniert den Informationsaustausch zwischen den für die Überwachung des Arzneimittelverkehrs zuständigen Landesbehörden und den europäischen Behörden. Nachdem das BfArM von einer Landesbehörde über die Verunreinigung informiert wurde, hatte es daher unverzüglich die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) und die Behörden der Länder in Deutschland über den Sachverhalt informiert. Das BfArM nimmt teil an der Entscheidungsfindung im Rahmen des europäischen Netzwerkes. Das BfArM hat seit 2019 auch die Möglichkeit den Rückruf eines Arzneimittels oder das Ruhen einer Zulassung bei Qualitätsmängeln oder Arzneimittel- oder Wirkstofffälschungen anzuordnen, sofern dies zum Schutz der Patienten dringen erforderlich ist.

Externe Links

Liste der betroffenen Chargen

Pressemitteilung der EMA vom 01.02.2019

Pressemitteilung der EMA vom 19.11.2018

Pressemitteilung der EMA vom 15.10.2018

Pressemitteilung der EMA vom 28.09.2018

Pressemitteilung der EMA vom 21.09.2018

Pressemitteilung der EMA vom 13.09.2018

Pressemitteilung der EMA vom 20.08.2018

Pressemitteilung der EMA vom 10.08.2018

Pressemitteilung der EMA vom 02.08.2018

Pressemitteilung der EMA vom 17.07.2018

Pressemitteilung der EMA vom 05.07.2018


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