BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

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84. Sitzung (13. Juli 2021 per Videokonferenz) – Ergebnisprotokoll

Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht nach § 53 Absatz 2 AMG

Ort:
per Videokonferenz

Teilnehmende:
Der Vorsitzende
Sachverständige des Ausschusses für Verschreibungspflicht
Vertreterinnen/Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG)
Vertreterinnen/Vertreter des BfArM
Vertreterinnen/Vertreter des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)

Hinweis:
Der Ausschuss unabhängiger Sachverständiger nach § 53 Absatz 2 AMG berät das BMG und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Hinblick auf Fragen zur Verschreibungspflicht von Arzneimitteln und gibt hierzu fachliche Empfehlungen ab. Mit diesen Ausschussempfehlungen wird der – in jedem Einzelfall erforderlichen – Entscheidung des jeweils zuständigen Bundesministeriums nicht vorgegriffen. Änderungen der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) erfolgen durch Rechtsverordnungen des BMG bzw. des BMEL; diese Verordnungen bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

Tagesordnung:

TOP 1 Eröffnung der Sitzung

Der Vorsitzende begrüßt die Anwesenden und stellt fest, dass bei keinem Ausschussmitglied ein Interessenkonflikt besteht. Bezüglich des virtuellen Formats der Sitzung werden einige technische Hinweise gegeben. Ferner wird die Beschlussfähigkeit des Gremiums festgestellt.

Im Rahmen einer Gedenkminute wird des ehemaligen, langjährigen Ausschussmitgliedes, Herrn Professor Hasford, der am 10. Juni 2021 verstorben ist, gedacht.

TOP 2 Annahme der Tagesordnung

Es gibt die Notwendigkeit, die Reihenfolge der Tagesordnungspunkte umzustellen (redaktioneller Hinweis: das Protokoll folgt der ursprünglichen Tagesordnung).

TOP 3 Letzte Änderungen in der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV)

Es gab keine Änderungen in der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) seit der letzten Sitzung des Sachverständigen-Ausschusses.

Ein Ausschussmitglied fragt bezüglich der Umsetzung der Voten zu den Antihistaminika aus den vergangenen Sitzungen nach. Das BMG führt aus, dass hierzu die Position in Abstimmung sei.

TOP 4 Zubereitung aus Ibuprofen und Paracetamol

Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht zur oralen Anwendung

Zunächst trägt der Antragsteller vor.

Anschließend beantwortet er die von den Ausschussmitgliedern an ihn gerichteten Fragen:

Ein Ausschussmitglied fragt, warum die Kombination in den meisten europäischen Ländern nicht als OTC-Produkt zugelassen sei. Der Antragsteller erwidert, dass ihm zu den möglichen Gründen keine Informationen vorlägen.

Ein anderes Ausschussmitglied merkt an, dass die angeführte Publikation von Tanner et al. nur die Pharmakokinetik untersuche, aber nicht – wie vom Antragsteller dargestellt – Daten zum Wirkungseintritt geliefert hätte. Der Antragsteller führt aus, dass es mehrere Studien gebe, die eine bessere Wirksamkeit der Kombination im Vergleich zu den Monokomponenten zeigen würden. Das Ausschussmitglied erwidert, dass die Kombination interessant sei, die Studien in ihrer Aussage aber korrekt den untersuchten Parametern zugeordnet werden müssten.

Der Antragsteller verlässt den virtuellen Sitzungsraum.

Das BfArM eröffnet die weitere Diskussion zu dem TOP mit einer Präsentation.

Ein Ausschussmitglied führt aus, dass die akute Nierenfunktionseinschränkung eine wesentliche Nebenwirkung der Kombinationspartner sei. Zudem könne als schnelle Nebenwirkung eine erosive Gastritis auftreten. Es gebe Arbeiten, die für die Kombination der beiden Wirkstoffe eine überadditive gastrointestinale Nebenwirkungsrate gezeigt hätten. Eine Freistellung von der Verschreibungspflicht würde daher nicht unterstützt werden.

Von einem anderen Ausschussmitglied wird ausgeführt, dass unter der Voraussetzung der (vorgesehenen) Beschränkung der Einzeldosis und der Gesamtwirkstoffmenge pro Packung die Kombination als sicher angesehen werden könne. Die Gefahr der Potenzierung von unerwünschten Effekten wird unter den Bedingungen einer Kurzzeitanwendung nicht gesehen.

Ein weiteres Ausschussmitglied sieht insbesondere eine Gefährdung von Älteren und Patienten mit vielen Komorbiditäten. Besonders bei diesen Patienten bestünde das Risiko für hospitalisierungspflichtige Nebenwirkungen. Der Antrag würde daher nicht mitgetragen werden.

Ein Ausschussmitglied hält die Kombination für pharmakologisch sinnvoll, sieht kein besonderes Risikopotential und plädiert dafür, dem Antrag zu zustimmen.

Durch ein Ausschussmitglied wird ausgeführt, dass für die Kurzzeitanwendung Vorteile der Kombination im Vergleich zur Anwendung der Monosubstanzen basierend auf einer verbesserten Wirksamkeit gesehen werden.

Da es keine weiteren Fragen oder Anmerkungen gibt, bittet der Vorsitzende um Abstimmung.

Abstimmung:

Der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht empfiehlt mehrheitlich, der Entlassung aus der Verschreibungspflicht von Ibuprofen zur oralen Anwendung (in maximaler Einzeldosis von 200 mg und maximaler Tagesdosis von 1200 mg) in Kombination mit Paracetamol (in maximaler Einzeldosis von 500 mg und maximaler Tagesdosis von 3000 mg) und einer Gesamtwirkstoffmenge von bis zu 4 g Ibuprofen und bis zu 10 g Paracetamol je Packung für die kurzzeitige symptomatische Behandlung leichter bis mäßig starker Schmerzen zuzustimmen. Zudem empfiehlt der Sachverständigen-Ausschuss, die Position zu Paracetamol um den Passus „c) oralen Anwendung in Kombinationen mit Ibuprofen“ zu ergänzen.

TOP 5 Levodropropizin

Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht zur oralen Anwendung

Zunächst trägt der Antragsteller vor.

Anschließend beantwortet er die von den Ausschussmitgliedern an ihn gerichteten Fragen:

Ein Ausschussmitglied bittet um Auskunft darüber, warum die Substanz in einigen EU-Ländern nicht zugelassen sei, welche Rezeptoren für die Wirkung verantwortlich seien und warum in der Produktinformation auf Einschränkungen der Fahrtüchtigkeit hingewiesen werde, wenn die Substanz doch nach den Ausführungen des Antragstellers nicht sedierend sein soll. Bezüglich der Frage der nicht vorhandenen Zulassung in einigen EU-Ländern sind dem Antragsteller die Gründe im Detail nicht bekannt, ggf. seien wirtschaftliche Erwägungen dafür ausschlaggebend. Bezüglich der Rezeptoraffinität hätten Tierstudien eine geringe Affinität zu einer Reihe von Rezeptoren gezeigt, belastbare Humandaten würden hierzu aber nicht vorliegen. Am Wirkmechanismus beteiligt seien die afferenten C-Fasern. Hinsichtlich der sedierenden Wirkung sei diese nicht völlig zu negieren, in klinischen Studien sei sie für Levodropropizin aber geringer als für die Komparatorsubstanzen gewesen.

Ein anderes Ausschussmitglied fragt bezüglich Untersuchungen zu potentiellen QT-Zeitverlängerungen. Der Antragsteller führt aus, dass es hierzu keine expliziten Untersuchungen gebe. In Studien seien kardiale Ereignisse wie Tachykardien und Palpitationen beobachtet worden, die auch nach Markteinführung berichtet wurden.

Da keine weiteren Fragen bestehen, verlässt der Antragsteller den virtuellen Sitzungsraum.

Das BfArM eröffnet die weitere Diskussion zu dem TOP mit einer Präsentation.

Ein Ausschussmitglied führt aus, dass es schwierig sei, eine Substanz von der Verschreibungspflicht freizustellen, deren Wirkmechanismus nicht vollständig geklärt sei. Ein anderes Ausschussmitglied merkt hierzu an, dass dies auch für andere Antitussiva der Fall sei. Zudem hinterfragt das Ausschussmitglied die Begrenzung der Anwendungsdauer von sieben Tagen auch im Vergleich z.B. zu Dropropizin. Das BfArM erläutert hierzu, dass Dropropizin bereits in den 1960er-Jahren als verschreibungsfreies Arzneimittel in Verkehr gebracht wurde und damals keine Beschränkungen vorgenommen worden seien. Bei Änderung der Position zu Levodropropizin sollte aber dem aktuellen Sachstand Rechnung getragen und die vorgegebene Anwendungsdauer verankert werden.

Nach Ansicht eines weiteren Ausschussmitgliedes sei die Wirkung der Substanz gut belegt, hierzu gebe es auch eine neuere Metaanalyse aus Italien.

Da es keine weiteren Fragen oder Anmerkungen gibt, bittet der Vorsitzende um Abstimmung.

Abstimmung:

Der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht empfiehlt einstimmig, der Entlassung aus der Verschreibungspflicht von Levodropropizin zur oralen Anwendung bei Erwachsenen und Kindern ab dem vollendeten 2. Lebensjahr zur symptomatischen Therapie des Reizhustens und einer Anwendung bis zu 7 Tagen zuzustimmen.

TOP 6 Dexibuprofen

Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht zur oralen Anwendung

Zunächst trägt der Antragsteller vor. Anschließend beantwortet er die von den Ausschussmitgliedern an ihn gerichteten Fragen:

Ein Ausschussmitglied fragt, durch welche Studien die erwähnte Nicht-Unterlegenheit von 200 mg Dexibuprofen im Vergleich zu 400 mg Ibuprofen belegt sei. Der Antragsteller führt aus, dass es hierzu Studien z.B. von Dionne et al. 1998 gebe.

Ein anderes Ausschussmitglied fragt, was der Nutzen der Entfernung des linksdrehenden Enantiomers sei. Der Antragsteller sieht den Nutzen darin, dass der Körper dieses nicht metabolisieren müsse.

Ein weiteres Ausschussmitglied merkt an, dass der Vorteil der nicht notwendigen Verstoffwechselung des linksdrehenden Enantiomers eher theoretischer Natur sei. Bezüglich der einzunehmenden Tablettenzahl sei zu beachten, dass es auch 200 mg Ibuprofen im OTC-Bereich gebe und hier bis zu zwei Tabletten pro Anwendung – und nicht wie bei Dexibuprofen nur eine Tablette – eingenommen werden könnten. Dies sei bei der Beratung der Patienten zu beachten.

Ein Ausschussmitglied möchte wissen, ob es klinische Studien gebe, die eine bessere Verträglichkeit infolge der Entfernung des linksdrehenden Enantiomers belegten. Hierzu sei dem Antragsteller nichts bekannt, die EudraVigilance-Daten würden eine mit Ibuprofen vergleichbare Verträglichkeit zeigen.

Der Antragsteller verlässt den virtuellen Sitzungsraum.

Das BfArM eröffnet die weitere Diskussion zu dem TOP mit einer Präsentation.

Es gibt eine kurze Diskussion zu der Frage, ob und welche Arzneimittel mit 200 mg Dexibuprofen gegenwärtig in Deutschland in Verkehr sind.

Ein Ausschussmitglied führt aus, dass eine der gravierendsten Nebenwirkungen der Nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAIDs) Nierenfunktionseinschränkungen seien. Zudem fragt das Mitglied, ob ein Hinweis auf der Packung bezüglich Dosierungsunterschieden zu Ibuprofen über die AMVV verankerbar sei. Nach Ansicht des BfArM besteht diese Möglichkeit nicht.

Nach Auffassung eines anderen Ausschussmitgliedes ist das Risiko von Ibuprofen und Dexibuprofen vergleichbar, allerdings auch stark dosisabhängig. Es bestehe die Gefahr der Verwechslung und damit verbunden der Überdosierung bei Anwendung von Dexibuprofen.

Ein weiteres Ausschussmitglied äußert die Befürchtung, dass es zu einem Mehrverbrauch an Analgetika kommen könnte, und fragt, ob es diesbezüglich Hinweise gebe. Das BfArM antwortet, dass hierzu keine Informationen vorliegen würden.

Ein Ausschussmitglied erläutert, dass bei neuen Wirkstoffen zur Schmerzbehandlung im OTC-Bereich der Gesamtkonsum an diesen Wirkstoffen nicht zunehmen würde. Vielmehr käme es zu einer Abgabeverschiebung bzw. Neuverteilung zwischen den verschiedenen Wirkstoffen.

Ein anderes Ausschussmitglied merkt an, dass kein Nutzen in der Anwendung von Dexibuprofen im Vergleich zu der von Ibuprofen zu sehen sei, allerdings auch keine (weiteren) Risiken. Diese Auffassung wird von weiteren Mitgliedern geteilt.

Ein Ausschussmitglied äußert, dass die Gefahr des Mehrgebrauchs durch die in der AMVV-Position vorgesehene Beschränkung der Anwendungsdauer auf vier Tage begrenzt sei. Bei Ibuprofen fehle eine solche Begrenzung in der AMVV. Ein anderes Mitglied fragt, ob die Begrenzung der Anwendungsdauer auf vier Tage eine Packungsgröße von 12 Tabletten für den OTC-Bereich bedeuten würde. Das BfArM führt aus, dass es im Rahmen der Zulassung keine solche Begrenzung gegeben hätte, es seien Packungsgrößen bis 100 Tabletten zugelassen. Von der Analgetika-Warnhinweis-Verordnung wären die Präparate ebenfalls nicht betroffen, da diese nicht die Indikation Fieber hätten.

Ein Ausschussmitglied bittet um Klarstellung, ob durch eine Beschränkung der Anwendungsdauer auch die Packungsgröße für den OTC-Bereich begrenzt werden würde. Das BfArM verneint dies und führt aus, dass, sofern eine Packungsgrößenbegrenzung gewünscht sei, diese in der AMVV verankert werden müsste.

Ein anderes Ausschussmitglied äußert, dass die Mehrheit der Mitglieder offensichtlich eine Packungsgröße von maximal 20 Tabletten befürworten würde und dies auch abgestimmt werden sollte.

Der Vorsitzende bittet nachfolgend um Abstimmung, wobei zunächst über den Vorschlag ohne Nennung einer maximalen Wirkstoffmenge pro Packung abgestimmt und dieser mehrheitlich abgelehnt wird. Danach wird eine (sonst wortgleiche) Position mit einer Vorgabe zur maximalen Wirkstoffmenge pro Packung (die einer Packungsgröße von 20 Tabletten entspricht) zur Abstimmung gestellt.

Abstimmung:

Der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht empfiehlt mehrheitlich die Entlassung aus der Verschreibungspflicht für Dexibuprofen zur oralen Anwendung ohne Zusatz weiterer arzneilich wirksamer Bestandteile in maximaler Einzeldosis von 200 mg, einer maximalen Tagesdosis von 600 mg und einer Gesamtwirkstoffmenge von bis zu 4 g pro Packung bei leichten bis mäßig starken Schmerzen und einer Anwendungsdauer bis zu 4 Tagen.

TOP 7 Schilddrüsenwirkstoffe

Auflösung der Sammelposition

Das BfArM eröffnet den TOP mit einer Präsentation.

Ein Ausschussmitglied fragt, ob in der AMVV generell Wirkstoffe zu verankern seien, die in Deutschland und der EU nicht zugelassen seien, aber ggf. in anderen Ländern der Welt. Seitens BfArM wird dies verneint. Bezüglich der Sammelposition sollten aber Wirkstoffe, die bisher hierüber verschreibungspflichtig seien, bei Streichung derselben in Einzelpositionen überführt werden. Dies auch dann, wenn es aktuell keine Zulassungen in der EU gibt.

Abstimmung:

Der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht empfiehlt einstimmig, die Sammelposition „Schilddrüsenwirkstoffe“ in Anlage 1 der AMVV aufzulösen und die Wirkstoffe Levothyroxin, Liothyronin, Tiratricol, Kaliumperchlorat, Natriumperchlorat, Diiodtyrosin und Dibromtyrosin als Einzelpositionen aufzunehmen.

TOP 8 Verschiedenes

Der Vorsitzende stellt fest, dass alle Tagesordnungspunkte abgeschlossen seien und schließt die Sitzung. Er bedankt sich für die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung der Sitzung sowie die Diskussionsbeiträge und verabschiedet die Anwesenden.

Termin der 85. Sitzung
Der nächste Sitzungstermin wird noch bekannt gegeben.

Alternativ zur Online-Version können Sie hier die pdf-Version des Protokolls herunterladen:

Anlagen (Hinweis: personengebundene und vertrauliche Angaben in den Präsentationen/Anlagen wurden geschwärzt):

Präsentation zu TOP 4 Antragsteller
Präsentation zu TOP 4 BfArM
Präsentation zu TOP 5 Antragsteller
Präsentation zu TOP 5 BfArM
Präsentation zu TOP 6 BfArM
Präsentation zu TOP 7 BfArM
Empfehlungen zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) (zu TOP 4, TOP 5, TOP 6, TOP 7)

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