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Pharmakoepidemiologie

Die Pharmakoepidemiologie untersucht die Anwendung und den Effekt von Arzneimitteln in Populationen. Dabei werden Methoden aus der Epidemiologie angewendet, um Fragestellungen aus der Pharmakologie zu adressieren. Der Schwerpunkt der Forschung liegt auf der bevölkerungsbezogenen Untersuchung von Arzneimittelwirkungen und -risiken in verschiedenen Patientengruppen. Dabei werden die (un-)erwünschten Wirkungen der Arzneimittel beschrieben, indem die Verteilung in der Bevölkerung beobachtet sowie Einflussfaktoren in der Beziehung zwischen Arzneimittel und Wirkung identifiziert werden. Als Grundlage für pharmakoepidemiologische Auswertungen dienen sowohl Primärdaten (z.B. populationsbasierte Kohortenstudien) als auch Sekundärdaten (z.B. Routinedaten von Krankenkassen). Die Analyse dieser sogenannten „Real World Data“ hat das Ziel, die Arzneimitteltherapie im Hinblick auf Wirksamkeit und Sicherheit besser beurteilen zu können. Damit trägt die Pharmakoepidemiologie zur Arzneimitteltherapiesicherheit bei.

Leiterin der Forschungsgruppe

Leiterin der Forschungsgruppe: Prof. Dr. Britta Hänisch

Telefon: +49 (0) 228 99 307 5721

E-Mail: britta.haenisch@bfarm.de

Lebenslauf

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Dr. Cornelia Becker

Kerstin Pfeifer

Dr. Christoph Röthlein

Martin Russek

Julia Wicherski

Weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitsgruppe siehe DZNE Gruppe Pharmakoepidemiologie

Aktuelle Projekte der Forschungsgruppe Pharmakoepidemiologie

Das EU Projekt „Real4Reg“ – Development, optimisation and implementation of artificial intelligence methods for real-world data analyses in regulatory decision-making and health technology assessment along the product lifecycle

Hintergrund:
Die Anwendung von Real-World Daten (RWD) nimmt an Relevanz bei regulatorischen Entscheidungsfindungen im Arzneimittelbereich zu, jedoch stellen die Heterogenität bei der Struktur der Daten und der Datenquellen eine Herausforderung dar. Des Weiteren steigt die Nachfrage an optimierten Methoden für die geeignete Anwendung von künstlicher Intelligenz (KI) auf RWD-Quellen im Kontext der Regulation und Gesundheitstechnologiebewertung (HTA).

Projektziele:
Real4Reg entwickelt KI-basierte, datengetriebene Methoden für die Bewertung von Arzneimitteln. Die Entwicklung basiert auf vier hochrelevanten Anwendungsbeispielen aus der regulatorischen Praxis entlang des Produktlebenszyklus von Arzneimitteln. Die Ergebnisse werden zu Schulungsmaßnahmen im Bereich RWD Anwendung im regulatorischen Kontext beitragen und sind relevant für bestehende und entstehende Leitlinien für Regulierungsbehörden im Gesundheitswesen und HTA-Behörden in ganz Europa.
Die Anwendungsbeispiele umfassen die Verwendung von RWD zur Beschreibung von Studienpopulationen, die Konstruktion von historischen Kontrollen und synthetischen Daten, die Verwendung von RWD zur Bewertung der Arzneimittelsicherheit sowie zur Adressierung von Wirksamkeit und drug repurposing.

Methoden:
Die vier Anwendungsbeispiele werden anhand von nationalen Register- und Krankenkassendaten aus vier europäischen Ländern durchgeführt (Dänemark, Deutschland, Finnland, Portugal). Dazu werden die Daten u.a. in ein gemeinsames Datenmodell konvertiert, Propensity Score-Algorithmen und ein breites Spektrum an KI-Algorithmen und -Methoden angewandt, und eine klinische Studie mit RWD nachgebildet. Am Projekt beteiligt sind zehn Partner aus sechs europäischen Ländern, u.a. zwei Patientenorganisationen. Ein Advisory Board, das Expertise aus allen relevanten Bereichen inklusive Regulierungsbehörden, Patientenorganisationen, HTA, klinische Experten, Vertreter der Industrie und Vertreter der Kostenträger repräsentiert, begleitet und berät das Projekt.

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Pharmakoepidemiologische Untersuchungen zu Medikations- und Morbiditäts-assoziierten Risikofaktoren bei vulnerablen Patientengruppen für die Progression von COVID-19

Hintergrund:
Die SARS-CoV-2-Pandemie ist eine anhaltende globale Herausforderung für die Gesundheitssysteme. Zu den besonders vulnerablen Patientengruppen gehören Personen mit bestimmten chronischen Vorerkrankungen. Einige bei diesen Erkrankungen eingesetzten Arzneimittel werden zurzeit als mögliche Einflussfaktoren auf die Progression von COVID-19 diskutiert. Dazu zählen beispielsweise Antihypertensiva, Immunsuppressiva und antiretrovirale Mittel.

Projektziele:
Der Einfluss von Medikations- und Morbiditäts-assoziierten Risikofaktoren, die im Verdacht stehen, den Krankheitsverlauf und die Progression von COVID-19 zu modifizieren, wird beschrieben. Das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf mit Hospitalisierung sowie Einflussfaktoren dieses Risikos werden untersucht. Prädisponierende Faktoren hinsichtlich des Auftretens von COVID-19, Schweregrad und Progression werden ermittelt. Die daraus resultierenden Erkenntnisse können in die Therapieentscheidung von entsprechend vulnerablen Patientengruppen einfließen.

Methoden:
Die Studie basiert auf den aktuellen Routineabrechnungsdaten der Techniker Krankenkasse. Der Datensatz umfasst Versicherte der Techniker Krankenkasse mit COVID-19-Diagnose sowohl aus dem ambulanten als auch aus dem stationären Bereich. In der Kontrollgruppe befinden sich Versicherte der Techniker Krankenkasse ohne COVID-19-Diagnose. Neben multiplen Regressionsmodellen werden Machine-Learning-Verfahren eingesetzt, um eine Vielzahl von Kovariablen und das Auftreten nichtlinearer komplexer Zusammenhänge einzubeziehen. Zudem werden explorative Analysen zur Detektion weiterer Determinanten für den Verlauf einer COVID-19-Erkrankung durchgeführt.

Pharmakoepidemiologische Analysen zu schweren unerwünschten Arzneimittelwirkungen von Fluorchinolonen

Hintergrund:
Infolge der Ergebnisse des Risikobewertungsverfahrens der Fluorchinolone (FQ) von der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) - welche von seltenen schweren unerwünschten, teils lebensbedrohlichen oder irreversiblen, Arzneimittelwirkungen (UAW) berichten - wurden Einschränkungen und Änderungen für die Anwendung der FQ ausgesprochen.

Projektziele:
Die Studie untersucht, ob und wie stark die Anwendung eines FQs mit einem modifizierten Risiko für das Auftreten verschiedener schwerer UAW, wie Herzrhythmusstörungen, Aortenaneurysmen, akuten toxischen Lebererkrankungen, Kollagen-assoziierten Erkrankungen oder bestimmten neurologischen oder neuropsychiatrischen Störungen assoziiert ist. Damit werden die Ergebnisse einen Beitrag zur Real-World-Evidenz für eine adäquate Anwendung von FQ und das Auftreten schwerer UAW in der Routineversorgung leisten.

Methoden:
Die longitudinale Kohortenstudie basiert auf den Routineabrechnungsdaten der AOK und umfasst die AOK-Versicherungsjahre 2013 bis 2019. Die Kohorte besteht aus allen AOK-Versicherten, die zum Zeitpunkt der ersten Antibiotikaverschreibung ≥ 18 Jahre alt sind. Der individuelle Beobachtungszeitraum beträgt ein Jahr. Für die Analyse werden multiple Regressionsmodelle mit Adjustierung für potenzielle Einflussfaktoren und Propensity Score-Ansätze angewendet.

EMPAR - Einfluss metabolischer Profile auf die Arzneimitteltherapiesicherheit in der Routineversorgung

Hintergrund:
Unterschiedliches Ansprechen auf Arzneistoffe durch individuelle genetisch bedingte metabolische Profile kann zum Auftreten von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) und Therapieresistenzen führen, welche zu einer ineffizienten Nutzung von Versorgungsstrukturen führen und den Therapieerfolg der Patientinnen und Patienten verzögern.

Projektziele:
Anhand metabolischer Profile werden für die Arzneimitteltherapie bedeutsame Risikofaktoren auf versorgungsrelevante Endpunkte anhand von Routinedaten der gesetzlichen Krankenversicherung analysiert. Insbesondere wird untersucht, inwieweit individuelle genetische Unterschiede einen Einfluss auf die Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen, wie z. B. Krankenhauseinweisungen oder Medikamentenverschreibungen, haben. Langfristiges Ziel ist die Implementierung des Einsatzes von präemptiven Tests metabolischer Profile im Versorgungsalltag. Die Erhebung patientenrelevanter metabolischer Risikoprofile für Nebenwirkungen oder Therapieresistenz dient der Verbesserung der Versorgung sowohl hinsichtlich Qualität als auch Wirtschaftlichkeit.

Methoden:
Die Studienpopulation umfasst ca. 10.000 Versicherte der Techniker Krankenkasse, die mindestens ein Arzneimittel verschrieben bekommen haben für welches klinische Evidenz besteht, dass genetische Polymorphismen zu einer hohen Variabilität in der Arzneimittelexposition bei normaler Dosierung führen können. Für die Studie werden dabei Verschreibungen von Antikoagulantien und Statinen sowie Patientinnen und Patienten mit einer UAW-Diagnose (ICD-10: Y57.9!) einbezogen. Anhand von Wangenabstrichen werden pharmakogenetische Marker bestimmt. Diese Daten werden zusammen mit sektorenübergreifenden Routinedaten der Techniker Krankenkasse pharmakogenetisch, pharmakoepidemiologisch und pharmakoökonomisch analysiert.

N-Nitrosodimethylamin-kontaminiertes Valsartan und Krebsrisiko

Hintergrund:
N-Nitrosodimethylamin (NDMA) ist als wahrscheinlich karzinogen beim Menschen eingestuft und wurde 2018 als Verunreinigung im Antihypertensivum Valsartan detektiert. Die Verunreinigung geht mutmaßlich auf eine Umstellung im Herstellungsprozess eines wichtigen Produzenten des Wirkstoffs Valsartan im Jahre 2012 zurück. Bislang wurden mögliche karzinogene Effekte im Zusammenhang mit der Einnahme von NDMA-kontaminiertem Valsartan nicht in großen Kohortenstudien ausgewertet.

Projektziele:
In der Studie wird die Assoziation zwischen NDMA-kontaminiertem Valsartan und dem Krebsrisiko analysiert. Die Ergebnisse der Studie sind für regulatorische Behörden weltweit von Bedeutung, da Informationen zur Bewertung der Auswirkungen von NDMA-Kontaminationen in Valsartan-Arzneimitteln bereitgestellt werden. Beispielhaft zeigt die Studie wie „real world“-Daten von Krankenkassen unter Einbeziehung pharmakoepidemiologischer Methoden zur Beantwortung von Fragen der Arzneimittelsicherheit beitragen können.

Methoden:
Der Datensatz der Kohortenstudie besteht aus Krankenkassendaten der AOK. Er umfasst alle Patientinnen und Patienten, die zu Beginn des Jahres 2012 ≥ 40 Jahre alt waren und im Zeitraum 2012-2017 mindestens ein Rezept für Valsartan eingelöst hatten. Eine inzidente Krebsdiagnose gilt als Endpunkt. Mittels Cox-Regressionsmodellen mit zeitabhängigen Variablen sowie Adjustierung für potenzielle Einflussfaktoren werden Hazard Ratios für Krebs allgemein und verschiedene einzelne Krebsarten bestimmt.

Ausgewählte Publikationen der Forschungsgruppe

  • Gomm W, Röthlein C, Schüssel K, Brückner G, Schröder H, Heß S, Frötschl R, Broich K, Haenisch B (2021) N-nitrosodimethylamine-contaminated valsartan and the risk of cancer-a longitudinal cohort study based on German health insurance data. Dtsch Arztebl Int. doi: 10.3238/arztebl.m2021.0129
  • Huebner T, Steffens M, Linder R, Fracowiak J, Langner D, Garling M, Falkenberg F, Roethlein C, Gomm W, Haenisch B, Stingl J (2020). Influence of metabolic profiles on the safety of drug therapy in routine care in Germany: protocol of the cohort study EMPAR. BMJ Open. 10: e032624.
  • Benda N, Haenisch B (2020) Enrichment design using placebo non-responders. Pharm Stat. 19: 303-314.
  • Nerius M, Haenisch B, Gomm W, Doblhammer G, Schneider A (2020) Glucocorticoid Therapy Is Associated With a Lower Risk of Dementia. J Alzheimers Dis. 73: 175-183.
  • Heser K, Pohontsch NJ, Scherer M, Löffler A, Luck T, Riedel-Heller SG, Maier W, Parker D, Haenisch B, Jessen F (2018) Perspective of elderly patients on chronic use of potentially inappropriate medication - Results of the qualitative CIM-TRIAD study. PLoS One. 13: e0202068.
  • Engel B, Gomm W, Broich K, Maier W, Weckbecker K, Haenisch B (2018) Hyperuricemia and dementia - a case-control study. BMC Neurol. 18: 131.
  • Taipale H, Gomm W, Broich K, Maier W, Tolppanen AM, Tanskanen A, Tiihonen J, Hartikainen S, Haenisch B (2018) Use of Antiepileptic Drugs and Dementia Risk-an Analysis of Finnish Health Register and German Health Insurance Data. J Am Geriatr Soc. 66: 1123-1129.
  • Pohontsch NJ, Löffler A, Luck T, Heser K, Parker D, Haenisch B, Riedel-Heller SG, Jessen F, Scherer M (2018) Informal caregivers' perspectives on health of and (potentially inappropriate) medication for (relatively) independent oldest-old people - a qualitative interview study. BMC Geriatr. 18: 169.
  • Teipel SJ, Fritze T, Ellenrieder M, Haenisch B, Mittelmeier W, Doblhammer G (2018) Association of joint replacement surgery with incident dementia diagnosis in German claims data. Int Psychogeriatr. 30: 1375-1383.
  • Nerius M, Johnell K, Garcia-Ptacek S, Eriksdotter M, Haenisch B, Doblhammer G (2018) The Impact of Antipsychotic Drugs on Long-term Care, Nursing Home Admission, and Death in Dementia Patients. J Gerontol A Biol Sci Med Sci. 73: 1396-1402.
  • Gomm W, von Holt K, Thomé F, Broich K, Maier W, Weckbecker K, Fink A, Doblhammer G, Haenisch B (2016) Regular Benzodiazepine and Z-Substance Use and Risk of Dementia: An Analysis of German Claims Data. J Alzheimers Dis. 54: 801-808
  • Gomm W, von Holt K, Thomé F, Broich K, Maier W, Fink A, Doblhammer G, Haenisch B (2016) Association of Proton Pump Inhibitors With Risk of Dementia: A Pharmacoepidemiological Claims Data Analysis. JAMA Neurol 73: 410-416.

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