BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

Navigation und Service

Anzeige von sonstigen klinischen Prüfungen gemäß Art. 82 Abs. 1 MDR i. V. m. §53 MPDG

Für die „sonstigen klinischen Prüfungen“ gilt die mit Artikel 82 der Verordnung (EU) 2017/745 (MDR) gelegte gesetzliche Grundlage, die auf nationaler Ebene durch das „Gesetz zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften betreffend Medizinprodukte (Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz – MPDG)“ weiter ausgestaltet wird.

Die MDR beschreibt in Artikel 82 die sonstigen klinischen Prüfungen wie folgt:

Artikel 82 MDR

Anforderungen an sonstige klinische Prüfungen

(1) Klinische Prüfungen, die nicht zu einem der in Artikel 62 Absatz 1 genannten Zwecke durchgeführt werden, müssen den Bestimmungen des Artikels 62 Absätze 2 und 3, Absatz 4 Buchstaben b, c, d, f, h und l und Absatz 6 genügen.

(2) Um bei klinischen Prüfungen, die nicht zu einem der in Artikel 62 Absatz 1 genannten Zwecke durchgeführt werden, die Rechte, die Sicherheit, die Würde und das Wohl der Prüfungsteilnehmer zu schützen und die Einhaltung wissenschaftlicher und ethischer Grundsätze zu gewährleisten, legt jeder betroffene Mitgliedstaat für ihn geeignete zusätzliche Anforderungen für diese Prüfungen fest.

Gemäß Artikel 82 Absatz 2 MDR obliegt es demnach den Mitgliedstaaten, die Regularien für die sonstigen klinischen Prüfungen selbst zu definieren. Deutschland hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und den Begriff „sonstige klinische Prüfung im § 3 Nr. 4 des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) wie folgt definiert:

„sonstige klinische Prüfung“ eines Produktes eine klinische Prüfung, die

a) nicht Teil eines systematischen und geplanten Prozesses zur Produktentwicklung oder der Produktbeobachtung eines gegenwärtigen oder künftigen Herstellers ist,

b) nicht mit dem Ziel durchgeführt wird, die Konformität eines Produktes mit den Anforderungen der Verordnung (EU) 2017/745 nachzuweisen,

c) der Beantwortung wissenschaftlicher oder anderer Fragestellungen dient und

d) außerhalb eines klinischen Entwicklungsplans nach Anhang XIV Teil A Ziffer 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2017/745 erfolgt.

Artikel 62 Absatz 1 definiert die in Artikel 82 genannten Zwecke folgendermaßen:

(…) als Teil der klinischen Bewertung für Konformitätsbewertungszwecke zu einem oder mehreren der folgenden Zwecke (…):

a) zur Feststellung und Überprüfung, dass ein Produkt so ausgelegt, hergestellt und verpackt ist, dass es unter normalen Verwendungsbedingungen für einen oder mehrere der in Artikel 2 Nummer 1 aufgelisteten spezifischen Zwecke geeignet ist und die von seinem Hersteller angegebene bezweckte Leistung erbringt;

b) zur Feststellung und Überprüfung des von seinem Hersteller angegebenen klinischen Nutzens eines Produkts;

c) zur Feststellung und Überprüfung der klinischen Sicherheit des Produkts und zur Bestimmung von bei normalen Verwendungsbedingungen gegebenenfalls auftretenden unerwünschten Nebenwirkungen des Produkts und zur Beurteilung, ob diese im Vergleich zu dem von dem Produkt erbrachten Nutzen vertretbare Risiken darstellen.

Essentiell ist hier also die Feststellung, ob eine klinische Prüfung Teil eines vom Hersteller durchzuführenden Konformitätsbewertungsverfahrens (auch zukünftige) sein soll. Wenn eine klinische Prüfung nicht Teil eines vom Hersteller durchzuführenden Konformitätsbewertungsverfahrens sein soll, ist es im Sinne der MDR eine „sonstige klinische Prüfung“, für die Nachfolgendes gilt.

Des Weiteren definiert das MPDG die nationalen Verfahren der Bewertung durch die zuständige Bundesoberbehörde und die Ethik-Kommissionen, soweit jene in der MDR nicht festgelegt sind, und führt einige zusätzliche Bedingungen ein.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Beginn einer sonstigen klinischen Prüfung in Deutschland werden durch § 47 Absatz 2 MPDG festgelegt:

Mit einer sonstigen klinischen Prüfung kann nur begonnen werden, wenn

  1. eine zustimmende Stellungnahme der zuständigen Ethik-Kommission nach § 52 Absatz 1 MPDG vorliegt und
  2. die sonstige klinische Prüfung der zuständigen Bundesoberbehörde nach § 53 Absatz 1 MPDG angezeigt wurde.


    Bitte beachten Sie auch die Ausnahme von diesen Vorgaben gemäß § 47 Absatz 3 MPDG (s.u.).

Anzeige bei der Bundesoberbehörde

Gemäß § 53 MPDG ist eine sonstige klinische Prüfung nach § 47 Absatz 2 Nummer 2 vom Sponsor bei der zuständigen Bundesoberbehörde über das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem nach § 86 MPDG anzuzeigen. Der Anzeige bei der Bundesoberbehörde muss eine Kopie der zustimmenden Stellungnahme der zuständigen Ethik-Kommission nach § 52 Absatz 1 MPDG beiliegen (vgl. Anhang XV Kapitel II 4.2 MDR i. V. m. § 47 Absatz 2 Nr. 1 MPDG). Dies bedeutet, dass das Antragsverfahren bei der zuständigen Ethik-Kommission vor der Anzeige bei der Bundesoberbehörde abgeschlossen sein muss. Es ist zu beachten, dass die Verfahren bei der Ethik-Kommission gemäß §§ 48 ff. MPDG einzuhalten sind.

  • Die Anzeige bei der Bundesoberbehörde muss die Kennnummer nach § 48 Absatz 3 sowie die in Anhang XV Kapitel II der Verordnung (EU) 2017/745 genannten Angaben und Unterlagen, mit Ausnahme der in Anhang XV Kapitel II von Ziffer 1.5., 3.1.1., 4.3., 4.4. und 4.5. der Verordnung (EU) 2017/745 genannten Angaben und Unterlagen, enthalten.
  • Unterlagen, die für den Prüfungsteilnehmer oder seinen gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertreter bestimmt sind, sind in deutscher Sprache einzureichen. Die weiteren Angaben und Unterlagen können in deutscher oder englischer Sprache eingereicht werden.

Verfahren bei wesentlichen Änderungen

Gemäß § 54 Absatz 1 MPDG hat der Sponsor Änderungen in den nach § 48 Absatz 2 und § 53 Absatz 2 eingereichten Unterlagen der zuständigen Bundesoberbehörde und der zuständigen Ethik-Kommission über das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem nach § 86 MPDG unverzüglich anzuzeigen. Mit der Anzeige übermittelt der Sponsor eine aktualisierte Fassung der betreffenden Angaben und Unterlagen und kennzeichnet die Änderungen in aktualisierten Unterlagen eindeutig.

Beabsichtigt der Sponsor eine Änderung, die wahrscheinlich wesentliche Auswirkungen auf die Sicherheit, die Gesundheit oder die Rechte der Prüfungsteilnehmer haben wird, beantragt der Sponsor gemäß § 55 Absatz 1 MPDG bei der zuständigen Ethik-Kommission über das Deutsche Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem nach § 86 MPDG eine Stellungnahme zu der angezeigten Änderung. Der Antrag muss unter Vorlage der aktualisierten Unterlagen nach § 54 Absatz 1 und unter Angabe der Gründe für die Änderung erfolgen.

Wir weisen darauf hin, dass alle Anzeigen ausschließlich in elektronischer Form erfolgen dürfen.

Ausnahme

Die oben genannten Antrags- und Anzeigeverpflichtungen gelten gemäß § 47 Absatz 3 MPDG jedoch nicht für eine sonstige klinische Prüfung eines Produktes, das bereits die CE-Kennzeichnung nach Artikel 20 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2017/745 trägt, soweit

  1. die sonstige klinische Prüfung im Rahmen der von der CE-Kennzeichnung umfassten Zweckbestimmung durchgeführt wird und
  2. die Prüfungsteilnehmer über die normalen Verwendungsbedingungen des Produktes hinaus keinen zusätzlichen invasiven oder belastenden Verfahren unterzogen werden.

Bei diesen klinischen Prüfungen erfolgt keine Antragstellung bei der Bundesoberbehörde und der Ethik-Kommission gemäß MDR i. V. m. dem MPDG. Es besteht jedoch die Verpflichtung, eine Beratung nach Berufsrecht bei einer Ethik-Kommission einzuholen (vgl. § 15 Muster-Berufsordnung für Ärzte der Bundesärztekammer). Es gelten außerdem die in der Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes niedergelegten ethischen Grundsätze für die medizinische Forschung am Menschen.

Zu beachten ist, dass durch den § 47 Abschnitt 3 des MPDGs lediglich die Vorgaben aus den vorangegangenen Absätzen 1 und 2 aufgehoben werden, jedoch nicht gesetzliche Vorgaben, die sich aus anderen Gesetzesstellen ergeben.

Soll eine sonstige klinische Prüfung über die von der CE-Kennzeichnung umfassten Zweckbestimmung durchgeführt werden und/oder die zusätzlichen invasiven oder belastenden Verfahren Prüfungsteilnehmer über die normalen Verwendungsbedingungen des Produktes hinaus unterzogen werden, gelten die im MPDG in den §§ 47 ff. beschriebenen Antrags- und Anzeigeverpflichtungen.

Zur Frage, was als zusätzlich invasiv und/oder belastend zu sehen ist, wird auf die Empfehlungen des Arbeitskreises Medizinsicher Ethik-Kommissionen in der Bundesrepublik Deutschland e.V. verwiesen. Wenngleich jene sich auf § 23b MPG, also die jetzige, noch gültige Gesetzgebung beziehen, werden sie auch nach Geltungsbeginn der MDR als gültig zu betrachten sein.

Weitere Bestimmungen zu „sonstigen klinischen Prüfungen“

Mit dem Verweis auf die o. g. Bestimmungen des Artikels 62 legt Artikel 82 die folgenden Bestimmungen für „sonstige klinische Prüfungen“ fest:

  • Art. 62 Absatz 2: Ist der Sponsor einer klinischen Prüfung nicht in der Union niedergelassen, so stellt er sicher, dass eine natürliche oder juristische Person als sein rechtlicher Vertreter in der Union niedergelassen ist. Dieser rechtliche Vertreter ist dafür verantwortlich, die Einhaltung der dem Sponsor aus dieser Verordnung erwachsenden Verpflichtungen sicherzustellen; die gesamte in dieser Verordnung vorgesehene Kommunikation mit dem Sponsor wird über den rechtlichen Vertreter abgewickelt. Jegliche Kommunikation mit diesem rechtlichen Vertreter gilt als Kommunikation mit dem Sponsor. (…)
  • Art. 62 Absatz 3: Klinische Prüfungen werden so konzipiert und durchgeführt, dass der Schutz der Rechte, der Sicherheit, der Würde und des Wohls der an der Prüfung teilnehmenden Prüfungsteilnehmer gewährleistet ist und Vorrang vor allen sonstigen Interessen hat und die gewonnenen klinischen Daten wissenschaftlich fundiert, zuverlässig und solide sind.
    Klinische Prüfungen werden einer wissenschaftlichen und ethischen Überprüfung unterzogen. Die ethische Überprüfung erfolgt durch eine Ethik-Kommission gemäß dem nationalen Recht. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Verfahren für die Überprüfung durch die Ethik-Kommissionen mit den Verfahren vereinbar sind, die in dieser Verordnung für die Bewertung des Antrags auf Genehmigung einer klinischen Prüfung festgelegt sind. Mindestens ein Laie wirkt an der ethischen Überprüfung mit.
  • Art. 62 Absatz 4: Eine klinische Prüfung gemäß Absatz 1 kann nur durchgeführt werden, wenn alle nachfolgenden Bedingungen erfüllt sind:

    (…)
    b) eine nach nationalem Recht eingesetzte Ethik-Kommission hat keine ablehnende Stellungnahme in Bezug auf die klinische Prüfung abgegeben, die nach dem nationalen Recht des betreffenden Mitgliedstaats für dessen gesamtes Hoheitsgebiet gültig ist;
    c) der Sponsor oder sein rechtlicher Vertreter oder ein Ansprechpartner gemäß Absatz 2 ist in der Union niedergelassen;
    d) schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen und Prüfungsteilnehmer werden gemäß Artikel 64 bis Artikel 68 angemessen geschützt;

    (…)
    f) der Prüfungsteilnehmer oder — falls der Prüfungsteilnehmer nicht in der Lage ist, eine Einwilligung nach Aufklärung zu erteilen — sein gesetzlicher Vertreter hat eine Einwilligung nach Aufklärung gemäß Artikel 63 erteilt;

    (…)

    h) das Recht des Prüfungsteilnehmers auf körperliche und geistige Unversehrtheit, Privatsphäre und Schutz seiner personenbezogenen Daten gemäß der Richtlinie 95/46/EG bleibt gewahrt;
    l) das betreffende Prüfprodukt bzw. die betreffenden Prüfprodukte entspricht bzw. entsprechen den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen gemäß Anhang I mit Ausnahme der Punkte, die Gegenstand der klinischen Prüfung sind; hinsichtlich dieser Punkte wurden alle Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Prüfungsteilnehmer getroffen. Dies umfasst gegebenenfalls technische und biologische Sicherheitsprüfungen und eine vorklinische Bewertung sowie Bestimmungen im Bereich der Sicherheit am Arbeitsplatz und der Unfallverhütung unter Berücksichtigung des neuesten Erkenntnisstands;

  • Art. 62 Absatz 6: Bei dem Prüfer handelt es sich um eine Person, die einen Beruf ausübt, durch den sie aufgrund der dafür erforderlichen wissenschaftlichen Kenntnisse und Erfahrung bei der Patientenbetreuung in dem betreffenden Mitgliedstaat anerkanntermaßen für die Rolle als Prüfer qualifiziert ist. Alle sonstigen an der Durchführung einer klinischen Prüfung mitwirkenden Mitarbeiter müssen aufgrund ihrer Ausbildung, Fortbildung bzw. Erfahrung auf dem betreffenden medizinischen Gebiet und im Zusammenhang mit klinischen Forschungsmethoden in geeigneter Weise für ihre Tätigkeit qualifiziert sein.

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link: Datenschutz

OK