BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

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Umstellung konischer Kegelverbindungen - Empfehlungen zur Risikominimierung

Das BfArM möchte gemeinsam mit der Arbeitsgruppe Medizinprodukte (AGMP) der Bundesländer auf mögliche Risiken und daraus resultierende risikominimierende Maßnahmen aufmerksam machen, die sich im Zusammenhang mit der aktuellen bzw. anstehenden Umstellung konischer Kegelverbindungen bestimmter Medizinprodukte bzw. bestimmter medizinischer Geräte ergeben können.

1. Einführung und Historie
Der sog. „Luer-Konnektor“ wird bislang in den Normen DIN EN 20594-1:1995-01 „Kegelverbindungen mit einem 6 % (Luer-)Kegel für Spritzen, Kanülen und bestimmte andere medizinische Geräte - Teil 1: Allgemeine Anforderungen“ und DIN EN 1707:1997-01: „Kegelverbindungen mit einem 6 % (Luer-)Kegel für Spritzen, Kanülen und bestimmte andere medizinische Geräte - Verriegelbare Kegelverbindungen“ beschrieben.

Heute wird dieser Konnektor in vielfältigen medizinischen Anwendungen wie z.B. der parenteralen Ernährung oder bei Zugängen zum Gefäßsystem verwendet. Da alle entsprechenden Konnektoren geometrisch gleich gestaltet sind und somit beliebige Verbindungen ermöglichen, bestehen auch Verwechslungsrisiken. Diese haben in der Vergangenheit in Deutschland wie auch international teilweise zu schweren Zwischenfällen geführt und wurden u.a. im Jahr 2000 im DIN-Fachbericht 88 „LUER-Verbindungen - Ein Bericht der CEN Forum Task Group LUER fittings“ beschrieben.

Bei der europäischen Normungsorganisation CEN wurde in der Folge eine Task Force eingerichtet, die sich mit der Erarbeitung einer neuen Normenreihe für geometrisch unterschiedliche Verbindungsstücke befassen sollte. Je nach medizinischer Anwendung soll ein gesonderter Normteil erarbeitet werden, der die notwendigen Spezifikationen festlegt.

Durch die Veröffentlichung der Normenreihe ISO 80369 „Small bore connectors“ soll der Luer-Anschluss als Universalkonnektor abgelöst werden. Folgende Normen sind nach unserer Kenntnis derzeit veröffentlicht bzw. liegen im Entwurf vor:

  • DIN EN ISO 80369-1:2011-04 „Verbindungsstücke mit kleinem Durchmesser für Flüssigkeiten und Gase in medizinischen Anwendungen - Teil 1: Allgemeine Anforderungen“
  • DIN EN ISO 80369-1:2015-09 – Entwurf: „Verbindungsstücke mit kleinem Durchmesser für Flüssigkeiten und Gase in medizinischen Anwendungen - Teil 1: Allgemeine Anforderungen“
  • DIN EN ISO 80369-2:2015-09 – Entwurf: „Verbindungsstücke mit kleinem Durchmesser für Flüssigkeiten und Gase in medizinischen Anwendungen - Teil 2: Verbindungsstücke für Atemsysteme und Antriebsgasanwendungen“
  • DIN EN ISO/IEC 80369-3:2016-12: „Verbindungsstücke mit kleinem Durchmesser für Flüssigkeiten und Gase in medizinischen Anwendungen - Teil 3: Verbindungsstücke für enterale Anwendungen“
  • DIN EN ISO/IEC 80369-5:2016-03 „Verbindungsstücke mit kleinem Durchmesser für Flüssigkeiten und Gase in medizinischen Anwendungen - Teil 5: Verbindungsstücke für Anwendungen mit aufblasbaren Manschettensystemen für Gliedmaßen“
  • DIN EN ISO/IEC 80369-6:2016-11 „Verbindungsstücke mit kleinem Durchmesser für Flüssigkeiten und Gase in medizinischen Anwendungen - Teil 6: Verbindungsstücke für neuroaxiale Anwendungen“
  • DIN EN ISO/IEC 80369-7:2016-10 „Verbindungsstücke mit kleinem Durchmesser für Flüssigkeiten und Gase in medizinischen Anwendungen - Teil 7: Verbindungsstücke mit einem 6% (Luer-)Kegel für intravaskuläre oder hypodermische Anwendungen“
  • DIN EN ISO 80369-20:2015-09: „Verbindungsstücke mit kleinem Durchmesser für Flüssigkeiten und Gase in medizinischen Anwendungen“

Entsprechende Produkte sind bereits teilweise im Verkehr (z.B. für die enterale Ernährung).

2. Mögliche Risiken
Es ist davon auszugehen, dass die mittelfristig vollständige Umsetzung der entsprechenden Normen zu geometrisch eindeutigen und damit nicht mehr versehentlich falsch kombinierbaren Verbindungsstücken führen wird.

Gleichwohl können in der Übergangsphase temporär zusätzliche Risiken dadurch entstehen, dass z.B.

  • in bestimmten Produktfamilien z.B. aufgrund (noch) nicht vollständiger Markteinführung benötigte Konnektoren nicht vollumfänglich zur Verfügung stehen,
  • in den Einrichtungen (z.B. Kliniken, Arztpraxen) parallel beide Konnektorensysteme vorhanden sind bzw. eventuelle Adapter genutzt werden.

Auch nach erfolgter Umstellung auf geometrisch eindeutige Verbinder bestehen Anwendungsrisiken, die sich u.a. als Verwechslungsrisiken in vorgelagerten Prozessschritten, wie z.B. der Wahl der passend geometrisch kodierten Spritze zur Bereitstellung der geplanten Medikamentengabe darstellen können. Zur Minimierung entsprechender Anwendungsrisiken sind ebenfalls geeignete Qualitätssicherungs- und Risikomanagementmaßnahmen in den Anwendungseinrichtungen erforderlich.

3. Deutsche / Europäische / Internationale Aktivitäten
Im Zusammenhang mit der Umstellung auf die neuen Normen sind verschiedene Aktivitäten bekannt, folgende seien exemplarisch genannt:

  • Die amerikanische FDA hat für 501(k) Approvals (also die Anforderungen für das Inverkehrbringen entsprechender neuer Produkte) am 27.07.2014 in einer Leitlinie die Einhaltung der ISO 80369-1 empfohlen.
  • Die britische NPSA (National Patient Safety Agency) hat am 28.03.2007 darauf hingewiesen, dass verwechslungssichere Anschlüsse für orale und intravenöse Zugänge verwendet werden sollen.
  • Die US-amerikanische „Joint Commission“ (eine gemeinnützige Vereinigung zur Akkreditierung von Gesundheitseinrichtungen) hat Empfehlungen zum Übergangsprozess in den Gesundheitseinrichtungen herausgegeben (Sentinel Event Alert, 20.08.2014; Webinar 03.12.2014). Die Veröffentlichungen der „Joint Commission“ richten sich beispielsweise an die Gesundheitsreinrichtungen und stellen dar, wie diese eigenverantwortlich die Bestellung, Lagerung und Anwendung der neuen Verbindungen sicherstellen können.
  • Eine internationale Vereinigung u.a. von Herstellern, Vertriebsunternehmen und Verbänden (GEDSA, The Global Enteral Device Supplier Association) gibt in der Initiative „Stay connected“ Informationen und Hinweise zu den neuen Konnektornormen sowie zu deren Umsetzung.
  • Das „Aktionsbündnis Patientensicherheit APS e.V.“ hat eine Handlungsempfehlung zur Umstellung von Luer-Verbindern auf neue, verwechslungssichere Verbinder erstellt und auf der APS-Homepage zum Download zur Verfügung gestellt.

AGMP und BfArM sind der Ansicht, dass im Rahmen der Umstellung von den derzeit genutzten universellen Luer-Konnektoren auf die zukünftigen, nach den neuen Normen geometrisch verwechslungssicheren Verbindern Risiken für die Patientensicherheit auftreten können und möchten daher auf diese Risiken aufmerksam machen.

Entsprechende Risiken betreffen insbesondere die Organisation und Umsetzung der durch die Normänderung bedingten Produktumstellung in den anwendenden Einrichtungen wie z.B. Kliniken, Pflegeheimen und Arztpraxen. Insbesondere ist daher dort darauf zu achten, dass die Umstellung systematisch und vollumfänglich erfolgt sowie von einem entsprechenden Qualitäts- bzw. Risikomanagement begleitet wird.

Gleichzeitig sind die Hersteller entsprechender Medizinprodukte verpflichtet, den Produkten Informationen zur risikoarmen Anwendung beizufügen, also z.B. bei Neueinführung geänderter Verbindergeometrien mit absehbaren Umstellungsrisiken Hinweise zur Handhabung bzw. Vorsichtsmaßnahmen zur Minimierung von Restrisiken der Handhabung, denen nicht durch konstruktive oder Schutzmaßnahmen zu begegnen ist (Prinzip der integrierten Sicherheit).
Nur bei Erfüllung der Grundlegenden Anforderungen der Richtlinie 93/42/EG auch in dieser Hinsicht (vgl. Anhang I, I. Allgemeine Anforderungen, Nrn. 1 und 2) sind Medizinprodukte als verkehrsfähig anzusehen.

Folgende Akteure werden daher vor allem in der Verantwortung zur aktiven Risikominimierung gesehen:

  • Hersteller entsprechender Konnektoren sind aufgerufen, möglichst frühzeitig, in ausreichender Menge und bzgl. der jeweiligen Produktfamilien/Anwendungen (z.B. Ernährung in der Pädiatrie) umfassend Konnektoren gemäß den neuen Normen bereitzustellen sowie diesen ggfs. risikominimierende Hinweise beizufügen.
  • Betreiber müssen die Umstellung frühzeitig und unter Berücksichtigung der jeweiligen Produktverfügbarkeit planen, systematisch, konsequent und gemäß Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) qualitätsgesichert umsetzen sowie durch ein entsprechendes Risikomanagement begleiten.

Insbesondere Herstellern sowie Betreibern bzw. deren Verbänden wird empfohlen, entsprechende Abstimmungen frühzeitig und übergreifend durchzuführen und einheitliche Umsetzungshilfen für die Praxis zu entwickeln bzw. die Anwendungseinrichtungen bei der praktischen Umsetzung beratend zu unterstützen.
Anwenderinnen und Anwendern entsprechender Medizinprodukte empfehlen wir, sich bei Fragen zur Umstellung an ihre Einrichtung zu wenden bzw. diese ggfs. auf die dargestellten Risiken hinzuweisen.

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