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Fluorchinolonhaltige Antibiotika: Erinnerung an Maßnahmen zur Verringerung des Risikos für schwerwiegende, die Lebensqualität beeinträchtigende und potentiell dauerhafte Nebenwirkungen

Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) erinnert die Angehörigen der Heilberufe daran, dass die Anwendung von fluorchinolonhaltigen Antibiotika, die über den Mund eingenommen, injiziert oder inhaliert werden, aufgrund des Risikos für schwerwiegende, die Lebensqualität einschränkende und möglicherweise langanhaltende Nebenwirkungen begrenzt ist.

Diese Einschränkungen wurden 2019 nach einer EU-weiten Überprüfung dieser sehr seltenen, aber schwerwiegenden Nebenwirkungen eingeführt. Eine von der EMA finanzierte Studie hat gezeigt, dass der Einsatz von fluorchinolonhaltigen Antibiotika zwar zurückgegangen ist, diese Arzneimittel aber immer noch außerhalb ihrer empfohlenen Anwendungszwecke verschrieben werden können.

Beschränkungen für die Anwendung von fluorchinolonhaltigen Antibiotika bedeuten, dass sie nicht angewendet werden sollten:

  • zur Behandlung von Infektionen, die auch ohne Behandlung abklingen oder die nicht schwer sind (z.B. Entzündungen des Halses).
  • zur Vorbeugung der Reisediarrhöe oder wiederkehrender Infektionen der unteren Harnwege (sofern sie nicht über die Blase hinausgehen).
  • zur Behandlung leichter bis mittelschwerer Infektionen (inklusive unkomplizierte Zystitis, akute Exazerbation der chronischen Bronchitis, und chronische obstruktive Lungenerkrankung (COPD), akute bakterielle Rhinosinusitis und akute Mittelohrentzündung), es sei denn, andere Antibiotika, die üblicherweise zur Behandlung dieser Infektionen empfohlen werden, können nicht angewendet werden.
  • zur Behandlung nichtbakterieller Infektionen, z. B. nichtbakterielle (chronische) Prostatitis.

Es ist wichtig, dass die Anwendung von Fluorchinolonen vermieden werden sollte bei Patienten, bei denen vormals schwere Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der Anwendung von Fluorchinolonen oder Chinolonen aufgetreten sind.. Sie sollten mit besonderer Vorsicht angewendet werden bei älteren Patienten, bei Patienten mit Nierenfunktionsstörungen und bei Patienten, die eine Organtransplantation hatten, weil bei diesen Patientengruppen ein höheres Risiko für Sehnenschäden besteht. Da die Anwendung eines Kortikosteroids zusammen mit einem Fluorchinolon dieses Risiko ebenfalls erhöht, sollte die kombinierte Anwendung dieser beiden Arzneimittelgruppen vermieden werden.

Die Studie (Impact of European Union Label Changes for Fluoroquinolone Containing Medicinal Products for Systemic and Inhalation Use), in der Daten aus der Primärversorgung in sechs europäischen Ländern (Belgien, Frankreich, Deutschland, Niederlande, Spanien und Vereinigtes Königreich) für den Zeitraum 2016 bis 2021 ausgewertet wurden, deutet darauf hin, dass die Maßnahmen zur Einschränkung der Anwendung dieser Arzneimittel als Ergebnis der EU-weiten Überprüfung eine geringe Wirkung hatten.
Der Studienbericht ist in den HMA-EMA Catalogues of real-world data sources and studies unter der Nummer 37856 veröffentlicht.

An die Angehörigen der Heilberufe in der EU wurde am 07.06.2023 ein sogenannter Rote-Hand-Brief verschickt. In diesem wird betont, dass die Verschreibung und Anwendung von Fluorchinolonen auf die zugelassenen Anwendungsgebiete (viele eingeschränkt auf eine Behandlung der letzten Wahl bei Patienten, für die es keine alternativen therapeutischen Optionen gibt) beschränkt werden sollte und zudem nur nach einer sorgfältigen Bewertung des Nutzens und der Risiken für den einzelnen Patienten erfolgen sollte.

Informationen für Patienten

Fluorchinolonhaltige Antibiotika, die Ciprofloxacin, Delafloxacin, Levofloxacin, Lomefloxacin, Moxifloxacin, Norfloxacin, Ofloxacin, Pefloxacin, Prulifloxacin oder Rufloxacin enthalten, können schwere, lang anhaltende (bis zu Monaten oder Jahren), die Lebensqualität beeinträchtigende und möglicherweise dauerhafte Nebenwirkungen auf das Nervensystem, die Sehnen, Muskeln und Gelenke haben. Ihr Arzt sollte diese Arzneimittel nur nach sorgfältiger Abwägung des Nutzens und der Risiken verschreiben und in vielen Anwendungsbereichen nur, wenn es keine anderen geeigneten Behandlungsmöglichkeiten gibt.

  • Zu diesen sehr seltenen, aber schwerwiegenden Nebenwirkungen gehören entzündete oder gerissene Sehnen, Muskelschmerzen oder -schwäche, Gelenkschmerzen oder -schwellungen, Schwierigkeiten beim Gehen, Kribbeln und Nadelstiche, brennende Schmerzen, Müdigkeit, Depressionen, Gedächtnis-, Schlaf-, Seh- und Hörprobleme sowie veränderter Geschmack und Geruch.
  • Sehnenschwellungen und -verletzungen können innerhalb von 2 Tagen nach Beginn der Behandlung auftreten.

Wenn Sie über 60 Jahre alt sind, eine Vorgeschichte mit Nierenproblemen haben oder eine Organtransplantation hinter sich haben, oder wenn Sie ein Kortikosteroid (wie Prednisolon oder Hydrocortison) einnehmen, haben Sie ein höheres Risiko, durch ein Fluorchinolon Sehnenschäden zu entwickeln.

Wenn bei Ihnen die folgenden Nebenwirkungen auftreten, brechen Sie die Behandlung ab und wenden Sie sich sofort an Ihren Arzt/ Ihre Ärztin:

  • Sehnenschmerzen oder Schwellungen, insbesondere am Knöchel oder in der Wade. Wenn dies passiert, stellen Sie die betroffenen Bereiche ruhig;
  • Schmerzen, Taubheit, Kribbeln, Schwellungen oder Muskelschwäche in verschiedenen Körperteilen, oft beginnend in den Händen oder Füßen, die sich mit der Zeit verschlimmern;
  • Starke Müdigkeit, Depressionen, Gedächtnisschwäche oder starke Schlafprobleme;
  • Veränderungen des Seh-, Hör-, Geschmacks- und Geruchsvermögens;
  • Schwellungen in den Schultern, Armen oder Beinen oder Schmerzen in den Gelenken.

Sie und Ihr Arzt / Ihre Ärztin werden entscheiden, ob Sie die Behandlung fortsetzen können oder ob Sie ein anderes Antibiotikum benötigen.

Sie sollten kein fluorchinolonhaltiges Arzneimittel einnehmen, wenn Sie schon einmal eine schwere Nebenwirkung mit einem Fluorchinolon oder einem chinolonhaltigen Arzneimittel hatten.

Wenn Sie Fragen oder Bedenken bezüglich Ihrer Arzneimittel haben, sprechen Sie mit Ihrem Arzt/Ärztin oder Apotheker/Apothekerin.

Informationen für Angehörige der Heilberufe

  • Die Ergebnisse einer von der EMA in Auftrag gegebenen Studie (EUPAS37856) deuten darauf hin, dass Fluorchinolone weiterhin außerhalb ihrer empfohlenen Anwendungsgebiete verschrieben werden.
  • Die EMA weist auch darauf hin, dass die Studie mit Einschränkungen verbunden war und dass daher bei der Interpretation der Daten Vorsicht geboten ist.
  • Angehörige der Heilberufe werden an das Ergebnis einer EU-weiten Überprüfung von inhalativen und systemischen chinolon- und fluorchinolonhaltigen Antibiotika erinnert, die 2018 von der EMA durchgeführt wurde. Diese Überprüfung führte zu erheblichen Einschränkungen bei der Verwendung dieser Arzneimittel aufgrund des Risikos für seltene, aber lang anhaltende (bis zu Monaten oder Jahren), schwerwiegende, die Lebensqualität beeinträchtigende und potentiell dauerhafte Nebenwirkungen, die verschiedene, manchmal mehrere Körpersysteme (Muskel-Skelett-System, Nervensystem, psychiatrische Systeme und Sinnesorgane) betreffen.
  • Diese Nebenwirkungen können begrenzt werden, indem die Verwendung von Fluorchinolonen nur in den zugelassenen Indikationen erfolgt und zudem nur nach einer sorgfältigen Abwägung des Nutzens und der Risiken für den einzelnen Patienten. Es ist zu beachten, dass die Anwendung von Fluorchinolonen bei vielen dieser Indikationen auf eine Behandlung der letzten Wahl beschränkt ist, sofern für die betroffenen Patienten keine alternativen therapeutischen Optionen zur Verfügung stehen.
  • Besondere Vorsicht ist bei der Verschreibung von Fluorchinolonen bei älteren Patienten, bei Patienten mit Nierenfunktionsstörungen, nach Transplantation von soliden Organen oder bei Patienten, die systemische Kortikosteroide einnehmen, geboten, da das Risiko einiger unerwünschter Wirkungen (z. B. Tendinitis, Sehnenruptur) bei diesen Patienten höher ist. Die gleichzeitige Behandlung mit einem Fluorchinolon und einem Kortikosteroid sollte vermieden werden.
  • Die Patienten sollten vor Beginn der Behandlung über die mit Fluorchinolonen verbundenen Risiken aufgeklärt werden, einschließlich der potenziell langanhaltenden und schwerwiegenden Natur dieser Nebenwirkungen, und es sollte ihnen geraten werden, bei den ersten Anzeichen oder Symptomen dieser Nebenwirkungen die Behandlung abzubrechen und mit ihrem Arzt / ihrer Ärztin zu sprechen.
  • Bei den ersten Anzeichen von Sehnenschmerzen oder -entzündungen oder Symptomen einer Neuropathie wie Schmerzen, Brennen, Kribbeln, Taubheit oder Schwäche sollte die Behandlung mit Fluorchinolonen abgebrochen und eine alternative Behandlung in Betracht gezogen werden, um die Entwicklung potenziell irreversibler Nebenwirkungen zu verhindern.

Mehr über das Arzneimittel

Fluorchinolone und Chinolone sind eine Klasse von Breitbandantibiotika, die sowohl gegen verschiedene grampositive als auch gramnegative Bakterien wirksam sind. Fluorchinolone sind eine wichtige Behandlungsoption bei verschiedenen Infektionserkrankungen, darunter einige lebensbedrohliche, bei denen andere Antibiotika nicht ausreichend wirksam sind.

Die EU-weite Überprüfung, die 2018 von der EMA durchgeführt wurde, betraf fluorchinolonhaltige Arzneimittel, die systemisch (durch den Mund oder durch Injektion) und inhalativ verabreicht werden, und umfasste Arzneimittel, die Ciprofloxacin, Flumequin, Levofloxacin, Lomefloxacin, Moxifloxacin, Norfloxacin, Ofloxacin, Pefloxacin, Prulifloxacin und Rufloxacin enthalten. Nach dieser EU-weiten Überprüfung wurde zudem unter Berücksichtigung der Überprüfungsergebnisse Delafloxacin zugelassen. Fluorchinolonhaltige Arzneimittel sind in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten unter unterschiedlichen Handelsnamen zugelassen.

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