Expertengruppe Off-Label
Anwendung von Arzneimitteln außerhalb des zugelassenen Indikationsbereichs
Grundlagen und Historie
Off-Label Use ist die zulassungsüberschreitende Anwendung von zugelassenen Fertigarzneimitteln bei Patientengruppen oder Anwendungsgebieten (Indikationen), für die sie von der nationalen oder europäischen Zulassungsbehörde nicht zugelassen sind. Grundsätzlich ist Ärztinnen und Ärzten nach sorgfältiger Aufklärung der Patientin oder des Patienten erlaubt, Arzneimittel außerhalb der jeweiligen Zulassung zu verordnen. Die sich daraus ergebenden arzneimittelrechtlichen, haftungsrechtlichen und sozialrechtlichen Probleme waren immer wieder Gegenstand von Rechtsstreiten, nicht zuletzt auch wegen der Erstattungsfähigkeit. In einem richtungweisenden Urteil des Bundessozialgerichts vom 19. März 2002 (B 1 KR 37/00 R) wurden schließlich die Kriterien festgelegt, die erfüllt sein müssen, damit eine Erstattung für die Verordnung von Arzneimitteln im Off-Label Use durch die gesetzlichen Krankenversicherungen in Betracht kommt. Demnach muss es sich 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung handeln, für die 2. keine andere Therapie verfügbar ist und 3. auf Grund der Datenlage die begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht.
2002 - Um den Auflagen dieses Urteils rasch und kompetent nachkommen zu können, hat das damalige Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) mit Erlass vom 17. September 2002 die Errichtung der Expertengruppe "Anwendung von Arzneimitteln außerhalb des zugelassenen Indikationsbereichs" (Expertengruppe Off-Label) zunächst für den Fachbereich Onkologie angeordnet.
2005 - Mit Erlass des BMGS vom 31. August 2005 wurden Expertengruppen Off-Label für weitere Fachbereiche errichtet. Zunächst gab es drei Expertengruppen für die Fachbereiche:
- Onkologie
- Infektiologie mit Schwerpunkt HIV/AIDS
- Neurologie/Psychiatrie.
Struktur und Arbeitsweise wurden fortlaufend optimiert und aktualisiert.
2009/2010 - Mit Errichtungserlass vom 21. Oktober 2009 hatte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) Verbesserungen der Arbeitsabläufe festgelegt. Dieser Erlass wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2010 gültig. Die Erlasse vom 17. September 2002 und 31. August 2005 wurden durch ihn ersetzt. Die Berufungsperioden betrugen bis dato jeweils zwei Jahre, das wurde mit dem Erlass aus 2009 auf drei Jahre erhöht. Die Fachbereiche der einzelnen Expertengruppen werden vom Bundesministerium für Gesundheit bestimmt.
2014 - Mit der Neuberufung 2014 wurden die Expertengruppe Off-Label in den Fachbereichen Onkologie und Neurologie/Psychiatrie fortgeführt und der Fachbereich Innere Medizin eingerichtet. Die Geschäftsordnung wurde jeweils entsprechend angepasst.
2020 - Mit Erlass vom 26. Mai 2020, der die vorherigen Erlasse aufhebt, wurde eine fachübergreifende Expertengruppe Off-Label eingerichtet und deren Arbeitsorganisation in einer vollständig überarbeiteten Geschäftsordnung geregelt. Wichtigste Änderung gegenüber der bisherigen Arbeitsweise besteht darin, dass die Bearbeitung der Arbeitsaufträge unter Einbeziehung externer Sachverständiger in fachbezogenen Arbeitsgruppen erfolgt, die sich aus Mitgliedern der Gesamtexpertengruppe zusammensetzen.
2024 - Die Geschäftsordnung wurde aktualisiert und tritt mit dem Beginn der neuen Berufungsperiode am 10. März 2025 Inkraft.
Berufungsperioden
Berufungsperiode | Fachbereiche |
---|---|
September 2003 bis August 2005 | Onkologie |
Dezember 2005 bis Dezember 2007 | Onkologie, Neurologie/Psychiatrie, Infektiologie mit Schwerpunkt HIV/AIDS |
Januar 2008 bis Dezember 2009 | Onkologie, Neurologie/Psychiatrie, Infektiologie mit Schwerpunkt HIV/AIDS |
Januar 2010* bis Dezember 2012 | Onkologie, Neurologie/Psychiatrie, Infektiologie mit Schwerpunkt HIV/AIDS |
Januar 2011 bis Dezember 2012 | Ophthalmologie |
Verlängerung der Berufungsperiode 2010-2012 bis Juli 2013 | Onkologie, Neurologie/Psychiatrie, Infektiologie mit Schwerpunkt HIV/AIDS |
April 2014** bis 2017 | Onkologie, Neurologie/Psychiatrie, Innere Medizin |
2017 bis 2020 | Onkologie, Neurologie/Psychiatrie, Innere Medizin |
2021 bis 2024 | Experten / Expertinnen aus verschiedenen medizinischen Fachbereichen, mindestens jedoch aus den Fachbereichen Innere Medizin, Onkologie und Neurologie/Psychiatrie |
2025 bis 2028 | Experten / Expertinnen aus verschiedenen medizinischen Fachbereichen, mindestens jedoch aus den Fachbereichen Innere Medizin, Onkologie und Neurologie/Psychiatrie |
*Die Mitglieder werden für die Dauer von drei Jahren berufen.
**Die Berufung gilt bis zur Bildung einer neuen Expertengruppe gegebenenfalls über den Berufungszeitraum von drei Jahren hinaus fort.
Aufgaben
Die Expertengruppe Off-Label hat folgende Aufgaben:
- Abgabe von Bewertungen zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis über die Anwendung von zugelassenen Arzneimitteln für Indikationen und Indikationsbereiche, für die sie nach dem Arzneimittelgesetz nicht zugelassen sind. Die Bewertungen sind in geeigneten Zeitabständen zu überprüfen und erforderlichenfalls an die Weiterentwicklung des Stands der wissenschaftlichen Erkenntnis anzupassen.
- Auskunftserteilung gegenüber dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 91 SGB V zu Fragen des Stands der wissenschaftlichen Erkenntnis über die Anwendung von zugelassenen Arzneimitteln für Indikationen und Indikationsbereiche, für die sie nach dem Arzneimittelgesetz nicht zugelassen sind.
Methodenpapier
Die Expertengruppe Off-Label hat das Methodenpapier aktualisiert, welches als Vorlage für die Bewertungen bzw. zur Extraktion von Therapiestudien zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis über den Off-Label Gebrauch von zugelassenen Arzneimitteln verwendet wird.
Mitglieder
Der Expertengruppe Off-Label gehören an:
- mindestens vierzig, jedoch höchstens fünfzig Experten/Expertinnen aus verschiedenen medizinischen Fachbereichen, mindestens jedoch aus den Fachbereichen Innere Medizin, Onkologie und Neurologie/Psychiatrie,
- mindestens fünf, höchstens sechs Biostatistiker/Biostatistikerinnen oder Biometriker/Biometrikerinnen,
- mindestens zwei, höchstens drei klinische Pharmakologen/Pharmakologinnen,
- mindestens acht, höchstens zehn Vertreter oder Vertreterinnen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen.
Mitglieder ohne Stimmrecht sind drei Vertreter oder Vertreterinnen aus verschiedenen Patientenselbsthilfegruppen und ein oder zwei Vertreter oder Vertreterinnen der pharmazeutischen Industrie.
Das Bundesministerium für Gesundheit beruft die Mitglieder vorzugsweise unter Berücksichtigung von Vorschlägen der Fachgesellschaften und des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen, der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer auf Bundesebene und der für die Wahrnehmung der Interessen der Patientenvertreterinnen und Patientenvertreter maßgeblichen Organisationen für die Dauer von drei Jahren. Die Berufung gilt bis zur Bildung einer neuen Expertengruppe, gegebenenfalls über den Berufungszeitraum von drei Jahren hinaus fort.
Beratungsergebnisse
Arbeitsergebnisse in Form von Bewertungen zu einzelnen Arzneimitteln werden mit der Mehrheit der Stimmberechtigten verabschiedet und dem Gemeinsamen Bundesausschuss als Empfehlung zur Beschlussfassung nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V zugeleitet.
Sachstandstabelle / Bewertungen
Bereits weitergeleitete Bewertungen können Sie in der Sachstandstabelle Sachstandstabelle aufrufen.
Sitzungen der Expertengruppe Off-Label
Die Sitzungstermine werden nach Festlegung, die Tagesordnungen ca. 4 Wochen vor dem Sitzungstermin veröffentlicht.
Aufforderung zur Kommentierung durch interessierte Fachkreise
Die Expertengruppe Off-Label erarbeiten Bewertungen zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis über die Anwendung von zugelassenen Arzneimitteln für Indikationen und Indikationsbereiche, für die sie nach dem Arzneimittelgesetz nicht zugelassen sind. Die Expertengruppe beschließt einen Bewertungsvorschlag, der von der Geschäftsstelle im Internet veröffentlicht wird. Interessierte Fachkreise werden hiermit aufgefordert, innerhalb einer Frist von acht Wochen kurz und präzise, sowie auf relevante Kritikpunkte beschränkt, Stellung zu nehmen.
Kommentierungsaufruf an interessierte Fachkreise
Ergebnisprotokolle
Die Ergebnisprotokolle der Expertengruppe Off-Label sowie der früheren fachbereichsbezogenen Expertengruppen sind auf den folgenden Seiten gelistet.
Ergebnisprotokolle der Expertengruppen Off-Label
Stellenausschreibung externe Sachverständige
Die Expertengruppe hat die Aufgabe, Bewertungen eines Off-Label Use auf der Grundlage einer wissenschaftlichen Aufbereitung zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis nach § 1 Absatz 2 erster Spiegelstrich (Erlass) zu erstellen und diese als Empfehlung dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) vorzulegen.
Zur Erstellung eines Gutachtens soll zunächst die Recherche und Evaluierung des wissenschaftlichen Erkenntnismaterials durch einen Biometriker / medizinischen Statistiker (m/w/d) nach den Vorgaben des Methodenpapiers durchgeführt werden. Auf der Basis der generierten Ergebnisse wird die fachliche Bewertung nachfolgend durch einen medizinischen Sachverständigen (m/w/d) vorgenommen. Die weitere Bearbeitung bis zur Beschlussreife erfolgt in einer Arbeitsgruppe. Die finale Bewertung wird von der Expertengruppe Off-Label beschlossen und als Empfehlung an den G-BA weitergeleitet
Die in der Stabsstelle P12 organisatorisch angesiedelte Expertengruppe Off-Label sucht externe Sachverständige auf Werkvertragsbasis. Die Honorierung erfolgt auf der Grundlage des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG).
Die Bewerbungsunterlagen müssen eine Erklärung über Beziehungen zu Interessenverbänden, Auftragsinstituten und der pharmazeutischen Industrie einschließlich Art und Höhe von Zuwendungen enthalten. Bewerbungen mit aussagekräftigen Unterlagen und dem
senden Sie bitte an die Geschäftsstelle oder in elektronischer Form an: olu@bfarm.de
Zurzeit liegen folgende Arbeitsaufträge zur Vergabe vor:
- Carvedilol und Propranolol bei chronischen Lebererkrankungen zur Vorbeugung von Dekompensationsereignissen
- Folinsäure in Kombination mit 5-Fluorouracil und Oxaliplatin (FOLFOX) zur Behandlung des lokal fortgeschrittenen oder metastasierten biliären Karzinoms mit mindestens einer systemischen Vortherapie
- Bezafibrat in Kombination mit Ursodesoxycholsäure (UDCA) zur Behandlung der primären biliären Cholangitis (PBC) bei Personen, die unzureichend auf UDCA ansprechen
Erlass und Geschäftsordnung
Geschäftsordnung der Expertengruppe Off-Label (10.03.2025)
Geschäftsstelle
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
Abteilung 6, Fachgebiet 62 (62.14)
Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3
53175 Bonn
E-Mail: olu@bfarm.de
Tel.: +49 (0)228-99-307-3958