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Arzneimittelallergien, Nebenwirkungen an der Haut und spezielle Fragen der Arzneimittelsicherheit

Arzneimittelallergien hängen von den persönlichen Eigenschaften der Patientinnen und Patienten ab und sind daher, anders als die meisten anderen Nebenwirkungen, typischerweise nicht vorhersehbar. Auch wenn sie mengenmäßig nur einen kleineren Teil aller Nebenwirkungen ausmachen, können einige dieser Reaktionen, wie z.B. der allergische Schock oder das Angioödem (Schwellungen im Gesichtsbereich), schwerwiegend und potenziell lebensbedrohlich verlaufen.

Aufgrund ihrer Sichtbarkeit werden Arzneimittelnebenwirkungen an der Haut leichter wahrgenommen als Nebenwirkungen an anderen Organen. Hier reicht das Spektrum von milden Ausschlägen bis hin zu lebensbedrohlichen Krankheitsbildern, bei denen es zur Blasenbildung und Ablösung größerer Hautareale kommt. Auch können Arzneimittelnebenwirkungen an der Haut auf Nebenwirkungen an anderen Organen hinweisen.

Spezielle Fragestellungen beziehen sich beispielsweise auf das Auftreten von Nebenwirkungen bei besonders empfindlichen Patientengruppen wie Kindern oder älteren Menschen.

Leiter der Forschungsgruppe

Außerplanmäßiger (apl.) Prof. Dr. med. Bernhardt Sachs

Telefon: +49-(0)228-99-307-3156
E-Mail: bernhardt.sachs@bfarm.de

Lebenslauf

Forschungsgruppe Arzneimittelallergien, Nebenwirkungen an der Haut und spezielle Fragen der Arzneimittelsicherheit

Projekte der Forschungsgruppe Arzneimittelallergien, Nebenwirkungen an der Haut und spezielle Fragen der Arzneimittelsicherheit

MEKIH - Analyse von Medikationsfehlern bei Kindern und Jugendlichen und Erstellung von Handlungsempfehlungen

BfArM (Konsortialpartner): Prof. Dr. Bernhardt Sachs, Dr. Claudia Kayser, Dr. Diana Dubrall [Universitätsklinikum Bonn - Institut für Medizinische Biometrie, Informatik und Epidemiologie (IMBIE)], Severin Domgörgen

Universitätsklinikum Erlangen (Konsortialführung): Prof. Dr. Antje Neubert (Kinder‐und Jugendklinik), Dr. Armin Ströbel (Center for Clinical Studies), Dr. Irmgard Toni (Kinder‐und Jugendklinik)

Hintergrund

Unter Medikationsfehlern (MF) versteht man nach der EU-Definition unbeabsichtigte Fehler im Medikationsprozess, die zu einer vermeidbaren Schädigung der Patientinnen und Patienten führen oder aber führen könnten. Kinder und Jugendliche haben ein erhöhtes Risiko für aus MF resultierende potenzielle unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) im Vergleich zu Erwachsenen. Das höhere Risiko von MF-bedingten potenziellen UAW ist bei einigen Wirkstoffen unter anderem auf die begrenzte Datenlage in Bezug auf ihre Anwendung bei Kindern, dem Fehlen geeigneter Dosierungsempfehlungen und altersgerechten Darreichungsformen sowie den zum Teil komplexen Dosisberechnungen zurückzuführen.

Projektziele

Ziel dieses Projektes ist es, basierend auf der Analyse von Berichten zu (potenziellen) MF, Risikokonstellationen für MF zu erkennen, um konkrete Maßnahmen zu deren Vermeidung entwickeln zu können.

Methodik

Es handelt sich um eine retrospektive, explorative, nicht‐interventionelle, pharmakoepidemiologische Studie.

In dem Projekt werden drei verschiedene Datensätze zu MF-Berichten bei Kindern und Jugendlichen analysiert:

  1. KiDSafe‐Kohorte: MF, die bei der systematischen Erfassung von arzneimittelbedingten Krankenhausaufnahmen in 12 Kliniken in Deutschland erfasst wurden (weitere Informationen: https://kinderformularium.de/sign_in/kidsafe)
  2. Spontanberichte der europäischen UAW-Datenbank EudraVigilance: Von Angehörigen der Heilberufe sowie Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen spontan gemeldete MF mit und ohne Krankenhausaufnahme
  3. Fallsammlung der Arzneimitteltherapiesicherheit des BfArM: MF mit und ohne Krankenhausaufnahme sowie potentielle MF, gemeldet von Angehörigen der Heilberufe sowie Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen

Durch Einbeziehung dieser drei Datensätze, die sich hinsichtlich der Art der Datenerfassung, der Datenmenge und der Meldequelle unterscheiden, soll eine Analyse von MF bei Kindern und Jugendlichen auf breiterer Basis möglich werden.

Förderung

Das Projekt wird durch den Innovationsausschuss des G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss) gefördert (Förderkennzeichen: 01VSF22045).

KerXeM - Entwicklung und Charakterisierung humaner in-vitro-Keratinozytenkulturmodelle zur Anwendung für dermatopharmakologische und arzneimittelallergische Fragestellungen

Projektleitung: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM): Prof. Dr. Bernhardt Sachs (BfArM), Philipp Deck (BfArM; Universität Bonn) 

Kooperationspartner: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Pharmazeutisches Institut: Prof. Dr. Günther Weindl; Uniklinik RWTH Aachen (UKA), Klinik für Dermatologie und Allergologie: Prof. Dr. Amir Yazdi; Universitätsklinikum Bonn (UKB), Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie: Prof. Dr. Guido Fechner

Hintergrund

Neben ihrer Hauptaufgabe, der Bereitstellung der Barriere zur Außenwelt, besitzt die Haut ausgeprägte immunlogische und metabolische Kompetenzen. So sind vor allem Keratinozyten in der Lage, Fremdstoffe über verschiedene Enzyme zu metabolisieren (Biotransformation). Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass Keratinozyten, als sogenannte nicht-professionelle antigenpräsentierende Zellen, T-Zellen Antigene präsentieren und immunologische Antworten induzieren können. 

Für das BfArM sind diese Kompetenzen auch von regulatorischem Interesse. So sind einerseits allergische (spezifisch-immunologisch meditierte) Hautreaktionen auf Arzneimittel eine häufig gemeldete unerwünschte Arzneimittelwirkung. Andererseits ist die Metabolisierung von Arzneimitteln in der Haut für dermatopharmakologische Fragestellungen von Bedeutung.

Projektziele

Das übergeordnete Projektziel ist die Entwicklung und Charakterisierung verschiedener humaner in-vitro-Keratinozytenkulturmodelle zur Anwendung für dermatopharmakologische und arzneimittelallergische Fragestellungen. 

Das Projekt gliedert sich in nachfolgende untergeordneten Teilziele:

  1. Etablierung von In-vitro-Keratinozyten-Hautmodellen in 2D-/3D-Struktur mit extrazellulären Matrix-Komponenten. 
  2. Analysen zum Vorhandensein ausgewählter fremdstoffmetabolisierender Enzyme auf Ebene der Gen- und Proteinexpression. 
  3. Analysen in Bezug auf die Biotransformation ausgewählter Wirkstoffe mit geeigneten analytischen Methoden. 
  4. Analysen der Auswirkungen der Biotransformation / des/der Metaboliten auf die Keratinozyten in den Kulturmodellen.

Förderung

Eigenmittel des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie des pharmazeutischen Institutes der Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Die Studienlaufzeit beträgt 3 Jahre.

ALERT- Analyse von unerwünschten Arzneimittelwirkungen und Medikationsfehlern bei Erwachsenen

BfArM (Konsortialführung): Prof. Dr. Bernhardt Sachs, Dr. Claudia Kayser, Dr. Diana Dubrall [Universitätsklinikum Bonn – Institut für medizinische Biometrie, Informatik und Epidemiologie (IMBIE)], Justin Weal

Konsortialpartner: Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi): Maike Below; Universitätsklinikum Bonn – Institut für medizinische Biometrie, Informatik und Epidemiologie (IMBIE): Prof. Dr. Matthias Schmid; Universitätsklinikum Heidelberg – Abteilung für Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie: Prof. Dr. Julia Stingl; Universitätsklinikum Bonn – Stabsstelle Medizinisch-Wissenschaftliche Technologieentwicklung und -koordination (MWTek): PD Dr. Sven Zenker

Hintergrund

Eine unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW), ist eine Reaktion auf ein Arzneimittel, die schädlich und unbeabsichtigt ist. Ca.  20-80% der UAW sollen vermeidbar sein. Um UAW vermeiden zu können, sind datenbasierte Kenntnisse über die Häufigkeit und Art von UAW sowie über Assoziationsfaktoren, die ggf. mit einem erhöhten Risiko einhergehen von entscheidender Bedeutung. Ein Medikationsfehler (MF) ist nach EU-Definition ein unabsichtliches Handeln im Medikationsprozess, das zu einer Schädigung der Patientin bzw. des Patienten führt (z.B. UAW) oder führen könnte. MF können in jedem Schritt des Arzneimittelbehandlungsprozesses auftreten und gelten als per se vermeidbar. Sie sind die häufigste vermeidbare Einzelursache für unerwünschte Ereignisse in der Medikationspraxis.

Projektziele

Das Ziel des Projekts ist die Charakterisierung von Risikokonstellationen für UAW und MF bei Erwachsenen in Deutschland. Dabei soll ein besonderer Fokus auf Polypharmazie-Patientinnen und Patienten, ältere Patientinnen und Patienten sowie auf schwere UAW gelegt werden. Daraus folgend soll eine Grundlage für Handlungsempfehlungen geschaffen werden, um das Auftreten von UAW und MF zu reduzieren.

Das Projekt untergliedert sich in drei untergeordnete Teilziele:

  1. Generierung von quantifizierenden Daten zur Häufigkeit, Schwere und Assoziationsfaktoren von UAW und MF im alltäglichen Behandlungssetting in Deutschland.
  2. Fokussierte Analysen für Polypharmazie- Patientinnen und Patienten, ältere Patientinnen und Patienten sowie schwere UAW, um eine Aussage über die Ursachen von UAW und MF zu ermöglichen.
  3. Erstellung von Key Facts als Grundlage für Handlungsempfehlungen.

Methodik

Es handelt sich um eine retrospektive, nicht-interventionelle, pharmakoepidemiologische Studie.

Als Datenbasis für das Projekt dienen fünf divergente Real-World-Data Quellen:

  1. ADRED-Kohorte: UAW und MF die systematisch in einer multizentrischen, prospektiven Kohortenstudie zu arzneimittelassoziierten Symptomen erfasst wurden und zu einer notfallmäßigen Vorstellung in der Krankenhausnotaufnahme geführt haben.
  2. Spontanberichte der europäischen UAW-Datenbank EudraVigilance (EV): Von Angehörigen der Heilberufe sowie Patientinnen und Patienten und deren Angehörige spontan gemeldete UAW sowie MF mit UAW, im stationären und ambulanten Bereich.
  3. Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS)-Fallsammlung des BfArM: Von Angehörigen der Heilberufe vorwiegend durch die Arzneimittelkommissionen der deutschen Apotheker und der Ärzteschaft sowie von Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen spontan gemeldete MF ohne oder ohne berichtete UAW sowie potenzielle MF und Beinahe-Fehler, im stationären und ambulanten Bereich.
  4. Routinedaten der Kassenärztlichen Vereinigungen: Die bundesweiten kassenübergreifenden Arzneiverordnungsdaten nach §300 Abs. 2 SGB V und die Diagnosedaten nach §295 SGB X, zum ambulanten Bereich.
  5. Elektronische Patientenakte der Universitätsklinik Bonn: Zusammenstellung der Diagnosen, Arzneimitteltherapien sowie Labor- und Untersuchungsergebnisse von Patientinnen und Patienten aus dem stationären Bereich.

In einer übergeordneten, systematischen deskriptiven Analyse (Teil 1) werden Berichte aus EV, der AMTS-Fallsammlung und ADRED in jeder Datenquelle quantifizierend erhoben und separat voneinander deskriptiv analysiert. Danach werden (Teil 2) für jede der Datenquellen fokussierte, vertiefende quantifizierende Analysen zu Polypharmazie- Patientinnen und Patienten, älteren Patientinnen und Patienten sowie zu schweren UAWs durchgeführt. Komplementäre Analysen erfolgen dazu in den Versorgungsdaten des Zi und in den elektronischen Patientenakten der Universitätsklinik Bonn.

Förderung

Das Projekt wird durch den Innovationsausschuss des G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss) gefördert (Förderkennzeichen: 01VSF24020).

EVAS - Evaluierung und Erweiterung von Analysemöglichkeiten in Spontanberichtsdatenbanken

BfArM: Prof. Dr. Bernhardt Sachs (BfArM), Dr. Diana Dubrall (BfArM; Institut für Medizinische Biometrie, Informatik und Epidemiologie (IMBIE), Universitätsklinikum Bonn (UKB))

Kooperationspartner: Prof. Dr. Matthias Schmid (IMBIE), Dr. Diana Dubrall (BfArM, IMBIE), Priv.-Doz. Dr. Sven Zenker (IMBIE, UKB; Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin (KAI), UKB; Ärztlicher Leiter Stabsstelle Medizinisch-Wissenschaftliche Technologieentwicklung und -koordination (MWTek))

Hintergrund

Die kontinuierliche Überwachung von Arzneimitteln nach ihrer Zulassung in Bezug auf das Auftreten unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) ist essenzieller Bestandteil der Arzneimittelsicherheit. Im Rahmen der vorangegangenen Projekte „Etablierung von Analysemethoden in der Spontanberichts-Datenbank zur Untersuchung regulatorisch relevanter Pharmakovigilanz-Fragestellungen (UAW-Datenbankanalysen)“ und „ANKA - Kombinierte Analysen von Nebenwirkungsdaten und klinischen Routinedaten unter Anwendung von Methoden des maschinellen Lernens“ wurden bereits Methoden für die Analysen von UAW-Berichten in UAW-Datenbanken und klinischen Routinedaten etabliert [1, 2, 3, 4, 5].

Besonders wichtig für die Bewertung des kausalen Zusammenhangs zwischen der Arzneimitteleinnahme und dem Auftreten einer UAW ist die Vollständigkeit und die Qualität der Angaben in den UAW-Berichten. Im Vorläuferprojekt ANKA wurde ein automatisierter Algorithmus entwickelt, um die Vollständigkeit der UAW-Berichte übergeordnet zu bewerten. In dem Projekt EVAS (Evaluierung und Erweiterung von Analysemöglichkeiten in Spontanberichtsdatenbanken) soll dieser weiter getestet und validiert werden.

Mittlerweile stammen pro Jahr ungefähr die Hälfte aller UAW-Berichte aus Deutschland von Patientinnen und Patienten [6]. Aus diesem Grund kommen der Analyse und Bewertung dieser Berichte eine besondere Bedeutung zu. Im Projekt EVAS sollen die Berichte von Patientinnen und Patienten detailliert untersucht werden.

In dem Vorläuferprojekt ANKA wurden bereits klinische Routinedaten analysiert. Im Projekt EVAS soll darauf aufbauend deren Potenzial zur Analyse von UAW evaluiert werden.

Projektziele

Übergeordnetes Gesamtziel von EVAS ist die Evaluierung und Erweiterung von Analysemöglichkeiten für Pharmakovigilanz-Fragestellungen. Dieses übergeordnete Ziel gliedert sich in drei Studienteile:

  • Die Evaluierung und Erweiterung von Analysemöglichkeiten im Spontanberichtssystem durch automatisierte, teilweise durch künstliche Intelligenz (KI)-gestützte Anwendungen.
  • Die Evaluierung von UAW-Berichten von Patientinnen und Patienten. Dabei sollen Vorschläge zur Steigerung ihrer Aussagekraft generiert werden
  • Die weitere Evaluierung des Potenzials der Analysen von Electronic Health Records.

Das Forschungsprojekt ist zum 01.05.2024 gestartet.

Referenzen

  1. Dubrall D, Schmid M, Alešik E, Paeschke N, Stingl J, Sachs B. Frequent Adverse Drug Reactions, and Medication Groups under Suspicion. Dtsch Arztebl Int. 2018 Jun 8; 115(23): 393-400.
  2. Sachs B, Dubrall D, Fischer-Barth W, Schmid M, Stingl J. Drug-induced anaphylactic reactions in children: A retrospective analysis of 159 validated spontaneous reports. Pharmacoepidemiol Drug Saf. 2019;28(3):377-388.
  3. Dubrall D, Just KS., Schmid M, Stingl JC, Sachs B. Adverse drug reactions in older adults: a retrospective comparative analysis of spontaneous reports to the German Federal Institute for Drugs and Medical Devices. BMC Pharmacol Toxicol 21, 25 (2020).
  4. Dubrall D, Schmid M, Stingl JC, Sachs B. Angioedemas associated with renin-angiotensin system blocking drugs: Comparative analysis of spontaneous adverse drug reaction reports. PLoS One. 2020 Mar 26;15(3):e0230632.
  5. Dubrall D, Wicherski J, Below M, et al. Analyses of Adverse Drug Reactions to Fluoroquinolones in Spontaneous Reports Before and After the Referral and in Clinical Routine Cases. Drugs R D. 2025 Jan 25; https://doi.org/10.1007/s40268-024-00499-x.
  6. Christ P, Dubrall D, Schmid M, Sachs B. Comparative Analysis of Information Provided in German Adverse Drug Reaction Reports Sent by Physicians, Pharmacists and Consumers. Drug Saf. 2023; 46(12): 1363-1379.

Laufzeit

01.05.2024 bis 31.04.2028

Förderung

Eigenmittel des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie des Instituts für Medizinische Biometrie, Informatik und Epidemiologie am Universitätsklinikum Bonn

KIAM - KI-gestützte Expressionsanalyse von Marker-Genen zum In-Vitro-Nachweis einer Arzneimittelsensibilisierung

BfArM (Projektpartner): Prof. Dr. Bernhardt Sachs, Dr. Andreas Glässner

Life & Brain GmbH Bonn (Konsortialführung): Prof. Dr. Markus Nöthen, Dr. Per Hoffmann

Universitätsklinik RWTH Aachen, Klinik für Dermatologie und Allergologie (Projektpartner): Univ.-Prof. Dr. Amir Yazdi, Dr. Gerda Wurpts

Hintergrund

Arzneimittelallergien sind eine besonders relevante Allergieform, deren Häufigkeit wahrscheinlich durch den demografischen Wandel weiter zunehmen wird. Die Diagnostik von Arzneimittelallergien basiert zurzeit auf:

  1. Anamnese und Einordnung der klinischen Reaktion.
  2. In-Vivo-Testungen: Prick-, Intrakutan- und Epikutantests. Diese zum Teil aufwendigen Hauttestungen sind eingeschränkt sensitiv und nur für wenige Wirkstoffe standardisiert.
  3. In-Vitro-Testungen: Nachweisverfahren für spezifische Antikörper (IgE) bei Soforttypreaktionen sind nur für wenige Arzneimittel verfügbar und stehen zellulären Testsystemen wie z. B. dem Lymphozytentransformations-Test (LTT) gegenüber.
  4. Provokationstestungen. Diese sind aufgrund der potenziellen Gefahr einer allergischen Reaktion nicht risikofrei und werden daher von Patientinnen und Patienten manchmal abgelehnt. Wenn in der Anamnese eine schwere allergische Reaktion vorlag, sind sie kontraindiziert.

Zusammenfassend gibt es für viele arzneimittelallergische Reaktionen derzeit keine zufriedenstellenden diagnostischen Möglichkeiten bei einem großen Bedarf für eine zuverlässige, in der Routinediagnostik einsetzbare Methode, die für die Patientinnen und Patienten ungefährlich, nicht belastend und mit geringem zeitlichen Aufwand verbunden ist. Insbesondere In-Vitro-Testungen bieten sich hier an, da sie lediglich eine Blutabnahme erfordern und auch einfacher mehrere verdächtigte Arzneimittel getestet werden können.

Vorarbeiten - INA-Projekt

In den letzten Jahrzehnten sind große Fortschritte bei der Analyse der genomweiten Gen- (=Transkriptom) sowie Proteinexpression (=Proteom) hinsichtlich der Kosten, aber auch bei der Messgenauigkeit und dem benötigten Zeitaufwand gemacht worden, sodass diese Methoden mittlerweile Einzug in die breite wissenschaftliche Anwendung gefunden haben. Daher war das Ziel in einem vom Europäischen Fond für regionale Entwicklung (EFRE) geförderten Projekt der Antragssteller (INA, Projektkennung: EFRE-0801755) mithilfe aktueller Methoden zur Gen- sowie Proteinexpression, ein für den Routineeinsatz geeignetes Testverfahren für den In-Vitro-Nachweis einer Arzneimittelallergie zu entwickeln. Als Ausgangsbasis wurde dazu der LTT verwendet, um die peripheren mononukleären Blutzellen (PBMC) in vitro mit dem verdächtigten Arzneimittel zu stimulieren (LTT-Plattform). Anschließend erfolgte die Analyse der PBMC in Bezug auf eine Arzneimittel-spezifische Aktivierung hinsichtlich des Transkriptoms und Proteoms. Hierbei sollten Unterschiede bei der Gen- und Proteinexpression identifiziert werden, die als neue Marker zum In-Vitro-Nachweis einer Arzneimittelsensibilisierung dienen könnten.

Projektziele

Das aktuelle Projekt KIAM setzt auf den Vorarbeiten von INA auf. Das übergeordnete Ziel von KIAM ist die Entwicklung eines Website-Prototyps mit einer bedienungsfreundlichen Oberfläche, auf der nach Eingabe der Expressionsdaten für die Marker-Gene mittels KI-basierter Algorithmen eine Aussage zum Arzneimittel-Allergiestatus getroffen werden kann. Die Expressionsdaten der Marker-Gene in den PBMC sollen dabei mittels Real-Time PCR bestimmt werden. Zuvor soll die Zuverlässigkeit der im INA-Projekt identifizierten Marker-Gene ermittelt werden.

Damit soll diese Methodik der individuellen, Patienten-bezogenen In-Vitro-Diagnostik von Arzneimitteallergien perspektivisch auch in der erweiterten Routinediagnostik in der Versorgung anwendbar werden.

Projektbeschreibung und Methodik

In dem Projekt sollen Patientinnen und Patienten mit gesicherter Arzneimittelallergie und Kontrollpersonen ohne Allergie gegen das betreffende Arzneimittel untersucht werden. Aus den entnommenen Blutproben werden die PBMC isoliert und mit dem verdächtigten Arzneimittel koinkubiert. Nach Abschluss der Koinkubation wird die Genexpression in den PBMC mittels Real-Time PCR in Bezug auf die identifizierten Marker-Gene analysiert.

Die wesentlichen Arbeitsschritte des Projektes sind (federführende Partner in Klammern):

  1. die Rekrutierung von Patientinnen und Patienten mit gesicherter Arzneimittelallergie und Kontrollpersonen ohne Allergie gegen das betreffende Arzneimittel (Klinik für Dermatologie und Allergologie, Universitätsklinikum RWTH Aachen);
  2. die Isolierung der PBMC der Patientinnen und Patienten sowie der Kontrollpersonen und Koinkubation der PBMC mit dem verdächtigten Arzneimittel (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte);
  3. die Analyse der Genexpression mittels Real-Time PCR (Life & Brain GmbH).
  4. die bioinformatorische Auswertung der Daten (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte).

Förderung

Gefördert wird dieses Vorhaben aus Mitteln des Landes NRW (ZukunftBio.NRW) sowie Eigenmittel der beteiligten Partner. Förderzeitraum: 9/2023 – 9/2025.

Bürgerwappen Land Nordrhein-Westfalen

vARIANCE - Studie zur Erforschung des Angioödem Risikos unter Angiotensin Converting Enzyme Inhibitoren

Projektleitung BfArM: Prof. Dr. med. Bernhardt Sachs
Wissenschaftliche Mitarbeitende: Julian Hameister, Dr. Diana Dubrall, Dr. Michael Steffens

Projektleitung Humangenetik: Prof. Dr. med. Markus Nöthen, Prof. Dr. med. Andreas Forstner, Dr. rer. nat. Per Hoffmann
Wissenschaftliche Mitarbeitende: Julian Hameister, Dr. Carina Mathey

Hintergrund

ACE-Hemmer oder Angiotensin-I-Rezeptor-Blocker („Sartan“) -induzierte Angioödeme sind akute Schwellungen, die in tieferen Schichten der Haut oder Schleimhaut auftreten. Betroffen ist hiervon häufig der Kopf-Hals-Bereich, die Schwellungen können aber auch andere Areale der Haut oder Schleimhaut betreffen. In der Regel sind solche Schwellungen nicht lebensgefährlich. Treten sie jedoch im Bereich der Zunge, des Rachens oder Kehlkopfes auf, kann ein Angioödem aufgrund der möglichen Erstickungsgefahr lebensbedrohlich für die Patientin bzw. den Patienten werden.

Studien zufolge entwickeln etwa 0,1-0,7% der Patientinnen und Patienten, die einen ACE-Hemmer einnehmen, unter der medikamentösen Therapie ein Angioödem. Trotz dieses eher geringen Risikos für die einzelne Patientin oder den einzelnen Patienten treten aufgrund der weitverbreiteten Einnahme von ACE-Hemmern Schätzungen zufolge in Deutschland pro Jahr etwa 20.000-35.000 Fälle von ACE-Hemmer induzierten Angioödemen auf.

Die genauen Gründe, warum einzelne Patientinnen und Patienten unter der Einnahme eines ACE-Hemmers oder Sartans ein Angioödem entwickeln, sind noch nicht vollständig geklärt. Bisherige wissenschaftliche Studien deuten allerdings daraufhin, dass die Ursachen in einem Zusammenspiel aus erblichen (genetischen) Faktoren sowie dem persönlichen Lebensstil und Umgebungsfaktoren begründet sind. Zu den bisher assoziierten nicht-genetischen Risikofaktoren für ACE-Hemmer induzierte Angioödeme zählen zum Beispiel ein hohes Alter (> 65 Jahre), der Raucherstatus oder auch das Geschlecht.

Im Bereich der genetischen Risikofaktoren konnten ebenfalls bereits erste Kandidaten-Gene identifiziert werden, die mit dem Auftreten von Angioödemen unter einer Behandlung mit ACE-Hemmern in Verbindung gebracht wurden. Dazu zählt zum Beispiel das Gen, welches für den Bradykinin-Rezeptor codiert (BDKRB2). Die vARIANCE-Studiengruppe konnten zudem im Rahmen einer Meta-Analyse einen bis dato unbeschriebenen Risikolokus im Genom identifizieren, der mit dem Auftreten von ACE-Hemmer-induzierten Angioödemen assoziiert ist (Mathey et al. 2024).

Projektziel

Die vARIANCE Studie ist ein gemeinsames Forschungsprojekt des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und des Instituts für Humangenetik am Universitätsklinikum Bonn.

Die Studie hat das Ziel, die genetischen und nicht-genetischen Risikofaktoren des durch ACE-Hemmer und Sartane induzierten Angioödems aufzuklären. Dazu soll verstanden werden, wie die ursächlichen biologischen Mechanismen mit den persönlichen Lebensstilfaktoren und/ oder Umgebungsfaktoren zusammenwirken.
Langfristig kann die Kenntnis der biologischen Mechanismen zudem eine wichtige Grundlage für die Entwicklung neuer Therapieansätze und Therapiemöglichkeiten schaffen.

Methoden

Im Rahmen der Studie wird das Erbmaterial (DNA) von betroffenen Patientinnen und Patienten durch den Einsatz modernster molekulargenetischer Analysemethoden, zum Beispiel Gesamtgenomsequenzierung untersucht. Dadurch erhoffen wir uns weitere Gene zu identifizieren, die ursächlich an dem Auftreten dieser Angioödeme beteiligt sind.

Mit Hilfe eines eigens für die Studie entworfenen Fragebogens werden zudem mögliche nicht-genetische (äußere) Risikofaktoren untersucht. Der Fragebogen stellt Fragen zur Art des aufgetretenen Angioödems, den eingenommenen Arzneimitteln sowie der Krankheitsgeschichte und den Lebensgewohnheiten der Patientinnen und Patienten.

Referenzen

  1. Bulletin zur Arzneimittelsicherheit. Ausgabe 2. Juni 2017. „Arzneimittelinduzierte Angioödeme“ (Seite 13-23) und „Forschungsprojekt zu Arzneimittel-assoziierten Bradykinin-vermittelten Angioödemen“ (Seite 32-35).
  2. Drug-induced angioedema: Focus on bradykinin. Sachs B, Meier T, Nöthen MM, Stieber C, Stingl J. Hautarzt. 2018 Apr;69(4):298-305.
  3. Molecular Genetic Screening in Patients With ACE Inhibitor/Angiotensin Receptor Blocker-Induced Angioedema to Explore the Role of Hereditary Angioedema Genes. Mathey C, Maj C, Scheer AB, (…), Sachs B, Nöthen MM, Forstner AJ. Front Genet 2022 Jul 18;13:914376. doi:10.3389/fgene.2022.914376. eCollection 2022.
  4. Meta-analysis of ACE inhibitor-induced angioedema identifies novel risk locus. Mathey CM, Maj C, (…), Sachs B, Nöthen MM, Forstner AJ. J Allergy Clin Immunol. 2024 Apr;153(4):1073-1082. doi:10.1016/j.jaci.2023.11.921. Epub 2024 Jan 31. PMID: 38300190.

Studienwebsite

https://variance-studie.info/

Förderung

Eigenmittel des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie des Instituts für Humangenetik, Universitätsklinikum Bonn. Förderzeitraum: 2024-2028.