BfArM - Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

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Vorkommnisse in Zusammenhang mit Bauchgurten

Referenz-Nr.: 913/0704

Das BfArM hat 30 Vorkommnisse ausgewertet, bei denen Patienten, die mit einem Bauchgurt im Bett fixiert waren, tot vor ihren Betten aufgefunden wurden und bei denen der Verdacht auf Zusammenhang mit dem Fixiersystem nicht ausgeschlossen werden kann.

Davon passierten 29 Fälle in Deutschland und ein Fall in Österreich.

Die Vorkommnisse traten zwischen Januar 1999 und Januar 2004 auf und sind uns zum überwiegenden Teil aus polizeiinternen oder staatsanwaltschaftlichen Unterlagen bekannt geworden. Die von diesen Unfällen betroffenen Produkte bestehen aus:

  • Einem Bettgurt, der quer über die Matratze verläuft.
  • Einem Bauchgurt, der an dem Bettgurt befestigt ist und dem liegenden Patienten um die Taille geschlossen wird.
  • Zwei Seitenriemen, mit denen bei korrekter Anwendung der Bauchgurt rechts und links mit dem Bettgurt verbunden wird.

Umstände der Fixierung

Überwiegend sind Fälle in professionellen Einrichtungen wie Kliniken und Krankenhäusern (11 Fälle) sowie Alten- bzw. Pflegeheimen (18 Fälle) registriert, sowie ein Fall aus einem Privathaushalt. In 18 Fällen lag eine ärztliche Verordnung oder richterliche Anordnung zur Fixierung vor oder die Patienten hatten in die Fixierung eingewilligt.
In drei Fällen waren keine gültigen Dokumente vorhanden, für die restlichen Fälle liegen uns zu diesem Sachverhalt keine Angaben vor.

Die Zeitspanne zwischen dem Auffinden der verstorbenen Patienten und der letzten Kontrolle lag bei den recherchierten Fällen zwischen 30 Minuten und 14½ Stunden, im letztgenannten Fall wurde die Patientin über Nacht in einem Privathaushalt fixiert.

Im Durchschnitt betrug die Zeitspanne etwa 2½ Stunden, wobei die Werte in fünf Fällen jedoch nicht zu ermitteln waren.

Betroffen waren vorwiegend alte und gebrechliche Menschen, z. T. mit dünnem Körperbau, aber auch von normaler Statur oder sogar adipös.

Gründe der Fixierung waren meist Kombinationen aus motorischer Unruhe (z. T. durch Grunderkrankungen bedingt), Sturzgefahr durch Defizite in der Motorik oder durch vorhandene Verletzungen, sowie alters- oder krankheitsbedingter Verwirrtheit. In wenigen Fällen waren die betroffenen Patienten auch aggressiv.

Wir weisen darauf hin, dass die Umstände der Fixierung und die Frage, ob die Fixierung der Patienten "gerechtfertigt" war, nicht unserer Bewertung unterliegen.

Auffindposition

Alle tot aufgefundenen Patienten hatten das Bett ganz oder teilweise verlassen. Mit einer Ausnahme konnten die Fundsituationen aufgrund ihrer Ähnlichkeit in vier typische Positionen eingeteilt werden.

  • Halbsitzende Position (11 Fälle)

Der Rücken war an das Bett gelehnt.

  • Hängende Position (7 Fälle)

Kopf und Beine befanden sich in Tieflage, die Taille war im Bauchgurt auf Betthöhe fixiert.

  • Kniende Position (6 Fälle)

Der Oberkörper befand sich bauchwärts auf der Liegefläche des Bettes oder war bauchwärts an das Bett gelehnt.

  • Kopftieflage (5 Fälle)

Die Patienten lagen mit dem Rumpf auf Bett oder Seitengitter auf, der Kopf hing in Tieflage nach unten.Obwohl die Todesursache nicht immer eindeutig zu klären war und bei einigen Fällen evtl. auch ein Einfluss von Grunderkrankungen bestand, konnten bezüglich der vier typischen Auffindpositionen schwerpunktmäßig zwei unterschiedliche Todesursachen festgestellt werden:

Bei der halbsitzenden und knienden Position war der Gurt häufig in den Thoraxbereich gerutscht, so dass der Tod meist durch Blut- und Sauerstoffminderversorgung des Körpers erfolgte (mindestens 11 von insgesamt 17 Fällen mit diesen Fundpositionen).

Bei der hängenden Position und in Kopftieflage stand der Tod meist in Zusammenhang mit Herz-Kreislaufversagen oder Aspiration (mindestens sechs von insgesamt 12 Fällen mit diesen Fundpositionen).

Die Anwendung des Systems

Bei korrekter Anwendung der Gurte sollen die beiden Seitenriemen angebracht sein und das Bettgitter hochgestellt werden. Darauf wird u. a. in den Produktunterlagen hingewiesen.

Bei der Recherche der Fälle ergab sich jedoch folgendes Bild:- Seitenriemen
In dem einen Fall mit angelegten Seitenriemen wurde die Patientin in sitzender Position vor dem Bett aufgefunden, der Tod erfolgte wahrscheinlich durch Strangulation. Zum Unfallzeitpunkt war das Bettgitter nicht hochgestellt, es wurden Vermutungen angestellt, ob die Patientin es selbständig entfernt hatte.
In der überwiegenden Zahl der Fälle waren die Seitenriemen nicht vorhanden. Dies konnte anhand von Aussagen, Fotos oder anhand der Beschreibung des Gurtsystems recherchiert werden.

  • Seitengitter

In sieben Fällen war zum Unfallzeitpunkt nachweislich ein durchgehendes Gitter hochgestellt. In vier dieser Fälle besteht jedoch der Verdacht, dass die Seitengitter nicht den aktuellen Anforderung der Normen DIN EN 60601-2-38 und der DIN EN 1970 entsprachen, bzw. die zulässigen Spaltmaße durch Manipulation des Patienten verändert werden konnten. Lediglich für eines dieser sieben Vorkommnisse konnte die Normkonformität des Gitters explizit bestätigt werden.
In acht Fällen wurden unterteilte Seitengitter verwendet, wobei in zwei dieser Fälle der fußseitige Anteil der Gitter nicht hochgestellt war. Die Patienten konnten somit durch die Gitterteilung oder am fußseitigen Ende aus dem Bett gelangen. Über die Normkonformität dieser Gitter liegen uns keine Angaben vor.
In zwölf Fällen waren zum Unfallzeitpunkt keine Seitengitter angebracht, z. T. wurde auch vermutet, dass sie von den Patienten selbst entfernt wurden.
Für die verbleibenden drei Vorkommnisse liegen keine belastbaren Angaben hinsichtlich der Verwendung der Seitengitter vor.

Seitenriemenzum Unfallzeitpunkt durchgehendes Seitengitter hochgestelltzum Unfallzeitpunkt unterteiltes Seitengitter hochgestelltzum Unfallzeitpunkt kein Seitengitter vorhandenkeine Angaben zu Seitengittern
Seitenriemen angelegt0010
keine Seitenriemen angelegt67112
keine Angaben zu Seitenriemen1101

Fazit

Folgende produktbezogene Gegebenheiten haben sich bei den recherchierten Fällen als kritisch herausgestellt:

  • Die Patienten konnten seitwärts aus dem Bett gelangen. Alle tot aufgefundenen Patienten hatten das Bett ganz oder teilweise verlassen.
  • Die Bauchgurte konnten sich teilweise von der Taille in den Bereich des Thorax verlagern, so dass es zu Behinderung der Atmung kam.
  • Das System war überwiegend nicht korrekt angewendet.

Das Risiko einer Seitwärtsverlagerung des fixierten Patienten über die Bettkante hinaus kann nach den uns vorliegenden Unterlagen bei den betroffenen Produkten durch Nutzung der Seitenriemen und normkonformer Seitengitter verringert werden, wobei zudem sichergestellt sein sollte, dass die Patienten nicht durch Öffnungen oder Unterteilungen der Gitter über die Bettkante gelangen können.Das Verrutschen des Gurtsystems in den Thoraxbereich mit der Gefahr von Strangulation ist nach unserer Ansicht durch zukünftige konstruktive Änderung zu unterbinden, wobei wahrscheinlich von der reinen "Gurtform" Abstand genommen werden muss. Seitliche Rückhaltevorrichtungen, die einem Verlagern der Patienten in den Bereich der Bettkante vorbeugen, sollten nach unserer Ansicht an diesen neuen Produkten ebenfalls vorhanden sein, um den beschriebenen lagebedingten Unfällen vorzubeugen. Nach unserem Kenntnisstand werden seitens der Hersteller derzeit entsprechende Lösungen erarbeitet.

Durch Information der Anwender sollte ein sachgerechter Umgang mit den Fixiergurten erreicht werden.

Vor diesem Hintergrund hat das BfArM im Dezember 2003 Empfehlungen für die betroffenen Bauchgurte ausgesprochen, die unter folgendem Link einzusehen sind:

BfArM empfiehlt Verbesserung von Fixierungsystemen für mehr Patientensicherheit

Fixierungen mit zusätzlichen Fixierpunkten, anders gestaltete Fixiersysteme oder Systeme, die vom Patienten selbst geöffnet werden können sowie Gurte zur Fixierung außerhalb des Bettes sind von diesen Empfehlungen nicht betroffen.

Produkte, die bereits den konstruktiven Anforderungen bezüglich seitlicher Rückhaltevorrichtungen und der Verhinderung des Verrutschens in den Thoraxbereich entsprechen, sind von diesen Empfehlungen ebenfalls nicht betroffen, da sie nach unserer Auffassung das Konzept der integrierten Sicherheit bereits auf konstruktiver Ebene erfüllen.

Bei etwaigen Rückfragen wenden Sie sich bitte an:

Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
Abteilung Medizinprodukte
Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3
53175 Bonn

Telefon: +49 (0)228 99 307-5306 (Aktive Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika)
Telefax: +49 (0)228 99 307-5300
E-Mail: mp-vigilanz@bfarm.de

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