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Thalidomid, Lenalidomid und Pomalidomid: Voraussetzungen für die Verschreibung in Deutschland

Wirkstoff: Thalidomid, Lenalidomid, Pomalidomid

Lenalidomid gehört seit Jahren regelmäßig zu den umsatzstärksten Arzneimitteln weltweit - insbesondere im onkologischen Bereich. Seine führende Marktposition resultiert vor allem aus der breiten Anwendung bei der Therapie des multiplen Myeloms und weiterer hämatologischen Erkrankungen. Angesichts dieser weitreichenden Nutzung ist es wichtig, erneut auf die geltenden Sicherheitsvorgaben sowie die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Verschreibung hinzuweisen.

Die Wirkstoffe Thalidomid, Lenalidomid und Pomalidomid gehören zu den immunmodulatorischen Substanzen (IMiDs). Die drei Wirkstoffe unterscheiden sich nicht wesentlich in ihren Wirkweisen, aber in ihren Anwendungsgebieten vor allem hinsichtlich der zugelassenen Erkrankungen und Therapielinien.

In Zusammenfassung:

WirkstoffIndikationenWeitere Anwendungen
ThalidomidMultiples Myelom (Erstlinienbehandlung, ältere/nicht transplantierbare Patienten)Lepra-Erythema nodosum, selten auch andere entzündliche (Autoimmun-) Erkrankungen (Off-Label)
LenalidomidMultiples Myelom (Erstlinie, Erhaltung, Rezidiv), Myelodysplastisches Syndrom (5q-Deletion), Mantelzell- und follikuläres LymphomBreites Indikationsspektrum (Off-Label)
PomalidomidMultiples Myelom nach Vortherapie mit Lenalidomid/Bortezomib (Rezidiv, refraktär)Fokus auf refraktäres Multiples Myelom

In Deutschland unterliegt die Verordnung der Wirkstoffe Thalidomid, Lenalidomid und Pomalidomid strengen gesetzlichen Vorgaben, um insbesondere den Schutz ungeborener Kinder vor schweren Fehlbildungen sicherzustellen. Hintergrund ist die bekannte, starke teratogene (fruchtschädigende) Wirkung insbesondere von Thalidomid, das als Contergan in den 1960er Jahren schwerste Fehlbildungen bei Neugeborenen verursachte.

Folgende Rahmenbedingungen und Verfahrensschritte sind verpflichtend einzuhalten:

Verschreibungsprozess und T-Rezept

  • Diese Arzneimittel dürfen ausschließlich auf einem speziellen, nummerierten T-Rezept verschrieben werden und es dürfen keine weiteren Arzneimittel zusätzlich auf diesen Rezepten verordnet werden.
  • Die T-Rezept-Formulare sind personengebunden und werden vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ausgegeben.
  • Auf jedem T-Rezept muss der verschreibende Arzt bestätigen, dass:

    • alle erforderlichen Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden,
    • die notwendigen medizinischen Informationsmaterialien ausgehändigt wurden,
    • die Verordnung „In-Label“ (zugelassene Indikation) oder „Off-Label“ erfolgt.
  • Ärzte, Apotheken und Patienten sollten sich weiterhin an die bekannten und in den Produktinformationstexten sowie in den Schulungsmaterialien beschriebenen Sicherheitsanforderungen für T-Rezepte halten.
  • Bis zur Einführung des elektronischen T-Rezepts in Deutschland bleiben T-Rezepte in Papierform verpflichtend.

Wichtige Verordnungsdetails:

PersonenkreisHöchstmenge pro T-RezeptGültigkeit des Rezeptes
Gebärfähige FrauenBedarf für maximal 4 Wochen6 Tage ab Ausstellungsdatum
Alle anderen PatientengruppenBedarf für maximal 12 Wochen6 Tage ab Ausstellungsdatum
  • Apotheken dürfen die Arzneimittel nur dann abgeben, wenn das Rezept vollständig und korrekt ausgefüllt wurde.
  • Die Durchschläge der T-Rezepte müssen wöchentlich an das BfArM zur Überwachung weitergeleitet werden.

T-Register

  • Die Verschreibung und Abgabe der genannten Arzneimittel werden im T-Register dokumentiert.
  • Dieses Register dient der zentralen Überwachung und Nachverfolgung der Verschreibungen und soll einen zusätzlichen Schutzmechanismus darstellen.

Schwangerschaftsverhütungsprogramm

  • Aufgrund der hohen Teratogenität (fruchtschädigenden Wirkung) muss vor, während und nach der Behandlung ein striktes Schwangerschaftsverhütungsprogramm eingehalten werden. Die Details sind wie folgt:

    • Gebärfähige Frauen müssen mindestens 4 Wochen vor Behandlungsbeginn, während der gesamten Behandlung sowie mindestens 4 Wochen nach Absetzen eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden und einen medizinisch überwachten negativen Schwangerschaftstest vor der Ausstellung eines Rezepts haben.
    • Männliche Patienten müssen während der Einnahme und für mindestens 7 Tage nach Behandlungsende beim Sexualverkehr mit gebärfähigen Frauen ein Kondom benutzen – auch nach einer erfolgten Vasektomie, da Thalidomid noch in der Samenflüssigkeit enthalten sein kann.
    • Blut- und Samenspenden sind während der Therapie und für einen definierten Zeitraum danach untersagt.

Behördlich genehmigte Schulungsmaterialien & Patientenaufklärung

  • Vor Beginn der Therapie sind verordnende Ärzte verpflichtet, dass der Patient umfassend über die Risiken und notwendigen Vorsichtsmaßnahmen aufgeklärt wird.
  • Nachfolgendes Schulungsmaterial muss dem Patienten ausgehändigt werden bzw. vorliegen, darunter:

    • Leitfaden für die sichere Anwendung,
    • Patientenkarte zur sicheren Anwendung,
    • Formular zur Bestätigung der erfolgten Risikoaufklärung.
  • Der Arzt muss dokumentieren, dass der Patient die Schulungsmaterialien erhalten und die Informationen verstanden hat.

    • Das Formular zur Bestätigung der Risikoaufklärung vor Einleitung einer Behandlung mit Thalidomid, Lenalidomid und Pomalidomid enthält wichtige Aufklärungspunkte für den Arzt, Prüfung auf die Einhaltung einer zuverlässigen Verhütungsmaßnahme bei gebärfähigen Frauen und Bestätigungsmöglichkeiten zu den durchgeführten Schwangerschaftstests vor jeder neuen Ausstellung eines Rezeptes.

Anlaufstellen für Schulungsmaterial und weitere Informationen:

  • BfArM-Webseite (Bereich „Risikoinformationen“ und „Schulungsmaterial“)
  • Pharmazeutische Unternehmen („Leitfaden für die sichere Anwendung“ usw.)

Weitere Hinweise

  • Die Abgabe dieser Präparate im Versandhandel ist nicht gestattet (§ 17 Abs. 2b Apothekenbetriebsordnung).
  • Ärzte müssen die Erst- und Folgeanforderung der T-Rezeptvordrucke schriftlich beim BfArM stellen.
  • Alle Schritte unterliegen den Vorgaben gemäß § 3a Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV), Apothekenbetriebsordnung sowie Mitteilungen des BfArM.

Zusammengefasst:

Die Verordnung von Thalidomid, Lenalidomid und Pomalidomid in Deutschland ist nur unter strenger Einhaltung gesetzlicher und sicherheitsrelevanter Vorgaben zulässig. Insbesondere gelten das verpflichtende Schwangerschaftsverhütungsprogramm, der Einsatz von T-Rezepten, die Dokumentation über das T-Register und eine lückenlose Aufklärung und Dokumentation unter Einbeziehung behördlich genehmigter Schulungsmaterialien.