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Hydroxyprogesteronhaltige Arzneimittel: Überprüfung der Sicherheit

Wirkstoff: Hydroxyprogesteron

22.05.2024 - Empfehlung des PRAC

Hinweis: In Deutschland sind seit dem 10.12.2005 keine hydroxyprogesteronhaltigen Arzneimittel mehr zugelassen.

Hydroxyprogesteroncaproathaltige Arzneimitteln sollen in der EU vom Markt genommen werden

Überprüfung von Studien wirft mögliche Sicherheitsbedenken auf und zeigt mangelnde Wirksamkeit bei der Verhinderung von Frühgeburten

Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat empfohlen, die Zulassungen von hydroxyprogesteroncaproat (17-OHPC)-haltigen Arzneimitteln in der EU ruhen zu lassen. Eine Überprüfung durch den PRAC ergab, dass ein mögliches, aber unbestätigtes Krebsrisiko bei Personen besteht, die Hydroxyprogesteronca proat im Mutterleib ausgesetzt sind. Darüber hinaus ist Hydroxyprogesteroncaproat bei der Verhinderung von Frühgeburten nicht wirksam, und es gibt nur begrenzte Belege für seine Wirksamkeit bei anderen zugelassenen Anwendungen.

In einigen EU-Ländern sind hydroxyprogesteroncaproathaltige Arzneimittel als Injektionen zur Verhinderung von Fehl- oder Frühgeburten bei schwangeren Frauen zugelassen, bei denen ein entsprechendes Risiko besteht. Sie sind auch für die Behandlung verschiedener gynäkologischer und Fruchtbarkeitsstörungen zugelassen, einschließlich Störungen, die durch einen Mangel an einem Hormon namens Progesteron verursacht werden.

Der PRAC untersuchte die Ergebnisse einer großen bevölkerungsbasierten Studie (Murphy CC, et al. In utero exposure to 17α-hydroxyprogesterone caproate and risk of cancer in offspring. American Journal of Obstetrics and Gynecology. 2022 Jan;226(1):132.e1-132.e14. doi:10.1016/j.ajog.2021.10.035), in der das Krebsrisiko von Personen, die im Mutterleib Hydroxyprogesteroncaproat ausgesetzt waren, über einen Zeitraum von etwa 50 Jahren nach ihrer Geburt untersucht wurde. Die Daten dieser Studie deuten darauf hin, dass diese Personen im Vergleich zu denjenigen, die dem Arzneimittel nicht ausgesetzt waren, ein erhöhtes Krebsrisiko haben könnten. Der PRAC stellte jedoch fest, dass die Zahl der Krebsfälle in der Studie gering war und dass die Studie einige Einschränkungen aufwies, wie z. B. begrenzte Informationen über Risikofaktoren für Krebs. Der Ausschuss kam daher zu dem Schluss, dass ein Krebsrisiko bei Personen, die im Mutterleib Hydroxyprogesteroncaproat ausgesetzt waren, zwar möglich ist, aber aufgrund von Unwägbarkeiten nicht bestätigt werden kann.

Bei seiner Überprüfung berücksichtigte der PRAC auch Daten zur Wirksamkeit von hydroxyprogesteroncaproathaltigen Arzneimitteln in ihren zugelassenen Anwendungsgebieten, einschließlich der Ergebnisse einer Studie (Blackwell, S. C. et al. 17-OHPC to prevent recurrent preterm birth in singleton gestations (PROLONG Study): A multicenter, international, randomized double-blind trial. American Journal of Perinatolology 2020 Jan;37(2):127-136. doi:10.1055/s-0039-3400227), in der untersucht wurde, wie gut sie Frühgeburten verhindern. Die Studie, an der über 1700 schwangere Frauen mit Frühgeburten in der Vorgeschichte teilnahmen, ergab, dass Hydroxyprogesteroncaproat bei der Verhinderung wiederholter Frühgeburten oder medizinischer Komplikationen aufgrund von Frühgeburten bei Neugeborenen nicht wirksamer ist als Placebo (eine Scheinbehandlung). Der Ausschuss prüfte auch zwei veröffentlichte Meta-Analysen (kombinierte Analysen mehrerer Studien), die bestätigten, dass Hydroxyprogesteroncaproat bei der Verhinderung von Frühgeburten, unabhängig von Risikofaktoren, nicht wirksam ist. Für die anderen zugelassenen Anwendungen von Hydroxyprogesteroncaproat kam der PRAC zu dem Schluss, dass es nur begrenzte Belege für die Wirksamkeit gibt. Während der Überprüfung wurden auch Experten für Geburtshilfe, Gynäkologie und Fruchtbarkeitsbehandlung sowie Patientenvertreter um ihre Meinung gebeten.

Angesichts der Bedenken wegen des möglichen Krebsrisikos bei Menschen, die Hydroxyprogesteroncaproat im Mutterleib ausgesetzt sind, und der begrenzten Belege für die Wirksamkeit von Hydroxyprogesteroncaproat bei den zugelassenen Anwendungen ist der PRAC der Ansicht, dass der Nutzen von Hydroxyprogesteroncaproat bei keiner der zugelassenen Anwendungen die Risiken überwiegt. Der Ausschuss empfiehlt daher das Ruhen der Zulassungen dieser Arzneimittel. Es stehen alternative Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.

Informationen für Patienten

  • Die EMA empfiehlt, hydroxyprogesteroncaproat (17-OHPC)-haltige Arzneimittel vom EU-Markt zu nehmen. In einigen EU-Ländern waren diese Arzneimittel zur Verhinderung von Fehl- oder Frühgeburten bei Schwangeren und zur Behandlung bestimmter gynäkologischer und Fruchtbarkeitsstörungen zugelassen.
  • Eine Überprüfung durch den PRAC, den Sicherheitsausschuss der EMA, ergab, dass bei Personen, die im Mutterleib Hydroxyprogesteroncaproat ausgesetzt waren, möglicherweise ein erhöhtes Krebsrisiko besteht, auch wenn die Zahl der Fälle weiterhin gering ist. Der Ausschuss kam zu dem Schluss, dass dieses erhöhte Risiko möglich ist, aber nicht bestätigt werden kann.
  • Die Überprüfung ergab außerdem, dass hydroxyprogesteroncaproathaltige Arzneimittel nicht wirksam sind, um Frühgeburten bei Schwangeren zu verhindern. Der Nutzen von hydroxyprogesteroncaproathaltigen Arzneimitteln für andere zugelassene Anwendungen konnte nicht bewertet werden, da nicht genügend Daten zur Verfügung standen.
  • In Anbetracht der Erkenntnisse über die Wirksamkeit von Hydroxyprogesteroncaproat in den zugelassenen Anwendungsbereichen sowie der Bedenken hinsichtlich eines möglichen Krebsrisikos bei Personen, die dem Arzneimittel im Mutterleib ausgesetzt waren, empfiehlt die Agentur, diese Arzneimittel in der EU vom Markt zu nehmen.
  • Es stehen andere Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Wenn Sie ein hydroxyprogesteroncaproathaltiges Arzneimittel verwenden, wird Ihr Arzt mit Ihnen über einen Wechsel zu einer geeigneten Alternative sprechen.
  • Das Ergebnis dieser Überprüfung hat keine Auswirkungen auf die Anwendung von Progesteron, das auf eine andere Weise als Hydroxyprogesteroncaproat wirkt.
  • Wenn Sie Fragen zu Ihrer bisherigen oder derzeitigen Behandlung haben, wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt.

Informationen für Angehörige der Gesundheitsberufe

  • Der Sicherheitsausschuss der EMA, PRAC, hat empfohlen, die Zulassung von Arzneimitteln, die Hydroxyprogesteroncaproat (17-OHPC) enthalten, in der EU ruhen zu lassen, da das Nutzen-Risiko-Verhältnis dieser Arzneimittel insgesamt nicht mehr als positiv angesehen wird.
  • Die Ergebnisse einer großen epidemiologischen Studie deuten auf ein mögliches erhöhtes Krebsrisiko bei Personen hin, die im Mutterleib Hydroxyprogesteroncaproat ausgesetzt waren, im Vergleich zu Personen, die dem Arzneimittel nicht ausgesetzt waren (bereinigte HR 1,99, [95% CI 1,31, 3,02]). In absoluten Zahlen legen die Daten nahe, dass die geschätzte Krebsinzidenz bei Personen, die im Mutterleib exponiert waren, gering ist (weniger als 25/100.000 Personenjahre). Die Studie weist jedoch Einschränkungen auf und das mögliche Risiko kann nicht bestätigt werden.
  • Was die Wirksamkeit anbelangt, so haben die Daten einer multizentrischen, doppelblinden, randomisierten, kontrollierten Studie gezeigt, dass Hydroxyprogesteroncaproat bei der Verhütung von Frühgeburten nicht wirksam ist; es gibt nur begrenzte Daten über die Wirksamkeit bei anderen geburtshilflichen, gynäkologischen und Fruchtbarkeitsindikationen, die in der EU zugelassen sind.
  • Angehörige der Gesundheitsberufe sollten hydroxyprogesteroncaproathaltige Arzneimittel nicht mehr verschreiben oder abgeben und für jede Indikation geeignete Alternativen in Betracht ziehen.
  • Das Ergebnis dieser Überprüfung hat keine Auswirkungen auf die Verwendung von Progesteron, das auf andere Weise wirkt als Hydroxyprogesteroncaproat.
  • Eine direkte Mitteilung an die Angehörigen der Gesundheitsberufe wird auf einer speziellen Seite der EMA-Website (s.u.) veröffentlicht.

Mehr über die Arzneimittel

Hydroxyprogesteroncaproat (17-OHPC) ist eine synthetische Form des natürlich vorkommenden Hydroxyprogesterons, das im Körper aus Progesteron gebildet wird. Progesteron ist an der Vorbereitung des Endometriums (Gebärmutterschleimhaut) auf die Schwangerschaft und an dessen Erhaltung während der Schwangerschaft beteiligt. Es wird angenommen, dass Hydroxyprogesteroncaproat an Rezeptoren (Zielmoleküle) auf Zellen bindet, die normalerweise an Progesteron binden. Es wird davon ausgegangen, dass dies das Risiko eines Schwangerschaftsabbruchs oder vorzeitiger Wehen bei Schwangeren verringert und zur Behandlung bestimmter gynäkologischer Störungen beiträgt, die mit einem Mangel an Progesteron zusammenhängen. Hydroxyprogesteroncaproat hat andere pharmakologische Eigenschaften als Progesteron.
Hydroxyprogesteroncaproat ist als Injektionslösung erhältlich. In der EU ist das Arzneimittel derzeit in Österreich, Frankreich und Italien unter den Handelsnamen Proluton Depot, Progesteron Retard Pharlon und Lentogest erhältlich. In Deutschland sind seit dem 10.12.2005 keine hydroxyprogesteroncaproathaltigen Arzneimittel mehr zugelassen.

Mehr über das Verfahren

Die Überprüfung hydroxyprogesteroncaproathaltiger Arzneimittel wurde gemäß Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG auf Antrag von Frankreich gestartet.
Die Überprüfung wurde vom Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) durchgeführt, der für die Bewertung von Sicherheitsfragen bei Humanarzneimitteln zuständig ist und eine Reihe von Empfehlungen abgegeben hat. Da hydroxyprogesteroncaproathaltige Arzneimittel alle national zugelassen sind, werden die Empfehlungen des PRAC an die Koordinierungsgruppe für Verfahren der gegenseitigen Anerkennung und dezentrale Verfahren (CMDh) weitergeleitet, die dazu Stellung nehmen wird. Die CMDh ist ein Gremium, das die EU-Mitgliedsstaaten einschließlich Island, Lichtenstein und Norwegen vertritt. Sie ist dafür verantwortlich, harmonisierte Sicherheitsstandards für alle Arzneimittel zu gewährleisten, die im Rahmen nationaler Verfahren in Europa zugelassen sind.

12.05.2023 - Start des Verfahrens

Hinweis: In Deutschland sind seit dem 10.12.2005 keine hydroxyprogesteronhaltigen Arzneimittel mehr zugelassen.

Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat eine Überprüfung hydroxyprogesteronhaltiger Arzneimittel eingeleitet, nachdem Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und Wirksamkeit dieser Arzneimittel aufgekommen sind. In der EU sind diese Arzneimittel als Hydroxyprogesteroncaproat erhältlich und werden schwangeren Frauen als Injektion verabreicht, um Fehlgeburten oder Frühgeburten zu verhindern. In einigen Ländern sind sie auch für die Behandlung verschiedener gynäkologischer Störungen zugelassen, darunter auch solche, die durch einen Mangel an einem Hormon namens Progesteron verursacht werden.

Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der EMA hat diese Überprüfung aufgrund der Ergebnisse einer Studie (Murphy CC, et al. In utero exposure to 17α-hydroxyprogesterone caproate and risk of cancer in offspring. American Journal of Obstetrics and Gynecology. 2022 Jan;226(1):132.e1-132.e14. doi:10.1016/j.ajog.2021.10.035) eingeleitet, die darauf hindeutet, dass Menschen, bei denen im Mutterleib eine Exposition gegenüber Hydroxyprogesteroncaproat stattgefunden hat, ein erhöhtes Krebsrisiko haben könnten, verglichen mit denjenigen, die dem Arzneimittel gegenüber nicht exponiert waren. Das Risiko nahm offenbar zu, wenn das Arzneimittel während des ersten Schwangerschaftsdrittels angewendet wurde sowie mit der Anzahl der Injektionen. Die Anwendung von Hydroxyprogesteroncaproat im zweiten oder dritten Schwangerschaftsdrittel schien das Krebsrisiko bei Männern, nicht aber bei Frauen, weiter zu erhöhen.

Darüber hinaus deuten die Ergebnisse einer zweiten Studie (Blackwell, S. C. et al. 17-OHPC to prevent recurrent preterm birth in singleton gestations (PROLONG Study): A multicenter, international, randomized double-blind trial. American Journal of Perinatolology 2020 Jan;37(2):127-136.
doi:10.1055/s-0039-3400227) darauf hin, dass Hydroxyprogesteroncaproat bei der Vermeidung wiederholter Frühgeburten oder von medizinischen Komplikationen bei Neugeborenen aufgrund einer Frühgeburt nicht wirksamer ist als Placebo.

Aufgrund dieser Bedenken ersuchte die französische Arzneimittelbehörde (ANSM) den PRAC, die Risiken und den Nutzen dieser Arzneimittel in allen zugelassenen Anwendungsbereichen zu überprüfen und eine Empfehlung abzugeben, ob ihre Zulassungen in der gesamten EU beibehalten, geändert, ausgesetzt oder entzogen werden sollten.

Die EMA wird die Empfehlungen des PRAC kommunizieren, sobald die Überprüfung abgeschlossen ist.

Mehr über die Arzneimittel

Hydroxyprogesteroncaproat ist eine synthetische Form des natürlich vorkommenden Hydroxyprogesterons, das im Körper aus Progesteron gebildet wird. Progesteron ist an der Vorbereitung des Endometriums (Gebärmutterschleimhaut) auf die Schwangerschaft und an dessen Erhaltung während der Schwangerschaft beteiligt. Es wird angenommen, dass Hydroxyprogesteroncaproat an Rezeptoren (Zielmoleküle) auf Zellen bindet, an die normalerweise auch Progesteron bindet. Es wird davon ausgegangen, dass dies das Risiko einer Fehlgeburt oder Frühgeburt bei Schwangeren verringert und zur Behandlung bestimmter gynäkologischer Störungen beiträgt, die mit einem Mangel an Progesteron zusammenhängen, wie z. B. Menstruationsschwankungen. Hydroxyprogesteroncaproat ist als Injektionslösung zugelassen und in der EU derzeit in Österreich, Frankreich und Italien unter den Handelsnamen Proluton Depot, Progesteron Retard Pharlon und Lentogest erhältlich.

Mehr über das Verfahren

Die Überprüfung hydroxyprogesteronhaltiger Arzneimittel wurde gemäß Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG auf Antrag von Frankreich gestartet.

Die Überprüfung wird vom Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) durchgeführt, der für die Bewertung von Sicherheitsfragen bei Humanarzneimitteln zuständig ist und seine Empfehlungen abgeben wird. Da hydroxyprogesteronhaltige Arzneimittel alle national zugelassen sind, werden die Empfehlungen des PRAC an die Koordinierungsgruppe für Verfahren der gegenseitigen Anerkennung und dezentrale Verfahren (CMDh) weitergeleitet, die dazu Stellung nehmen wird. Die CMDh ist ein Gremium, das die EU-Mitgliedsstaaten einschließlich Island, Lichtenstein und Norwegen vertritt. Sie ist dafür verantwortlich, harmonisierte Sicherheitsstandards für alle Arzneimittel zu gewährleisten, die im Rahmen nationaler Verfahren in Europa zugelassen sind.

Weitere Informationen

Details zu dem Verfahren können unter folgendem Link bei der EMA abgerufen werden: